Eine gerettete Ehe

In der Gemeinschaft „Sychar“ habe ich Hoffnung gefunden, denn das Charisma dieser Gemeinschaft verkündet, dass „für Gott nichts unmöglich ist und jede sakramentale Ehe gerettet werden kann“.

Wir sind seit 2001, also seit fast 22 Jahren, verheiratet. Wir haben miteinander vier Kinder im Alter von 19, 14, 11 und 9 Jahren. Heute sind wir eine Familie, die wir auf dem festen und unveränderlichen Fundament des Glaubens, der Liebe, des Guten, der Treue und der Wahrheit aufzubauen versuchen, unter Nutzung des Segens, den wir erhalten haben, als wir die sakramentale Ehe eingegangen sind.

Rafael: Ich arbeite als Journalist und Fernsehmoderator.

Joanna: Ich bin nicht berufstätig, sondern kümmere mich um das Haus und die Familie.

Wer wir waren

Wir lernten uns während unseres Studiums an der Akademie für Sporterziehung in Warschau kennen. Ein Jahr nach unserem Abschluss haben wir geheiratet. Zu dieser Zeit waren wir beide erwerbstätig und arbeiteten an unseren beruflichen Karrieren.

Rafael: Parallel zu meinem Studium an der Akademie für Sporterziehung habe ich an einer Privatschule Journalismus studiert. Schon als Kind hatte ich den Traum vor der Kamera zu stehen. Ich habe mich sukzessive hochgearbeitet und konnte Aufgaben übernehmen, die mir in vielen Bereichen Freude bereitet haben.

Joanna: Meine Aufgabe bestand zunächst darin, Fitnesskurse zu leiten, dann auch ein Team von Trainern zu führen, sie zu schulen und die Arbeit der Fitnessclubs im Warschauer Netzwerk zu koordinieren.

Wir hatten einen Traumstart. Wir hatten beide Spaß an unserer Arbeit, kauften unser erstes Auto und eine Wohnung in Piaseczno, in der Nähe von Warschau.

Und Gott?

Wir wussten, dass es Ihn gab, denn wir stammen aus katholischen Elternhäusern, aber da wir ein unabhängiges Leben führten, haben wir uns Ihm nicht allzu sehr aufgedrängt. Wir gingen jeden Sonntag in die Kirche und empfingen die Sakramente, aber eine lebendige Beziehung zu Gott fehlte. Der Relativismus begann sich in unser Leben einzuschleichen. Im dritten Jahr unserer Ehe wurde unsere erste Tochter geboren, was uns nur einige Zeit davon abhielt, durchs Leben zu rasen. Wir gingen aneinander vorbei, wir hatten keine Zeit, eine Beziehung zueinander aufzubauen. Unmerklich begannen wir, uns auseinander zu leben. Die Gespräche beschränkten sich oft auf den Austausch von Informationen darüber, wer wann und wo hinging und wann die Babysitterin zu unserer Tochter kommen sollte. In dieser Zeit zogen wir auch in ein neues Haus im Magdalenenwald. Unsere Kommunikation wurde aufgrund des Wohnortwechsels und der Notwendigkeit, ein neues Funktionsmuster zu entwickeln, noch schwieriger. Jeder von uns schien eine andere Sprache zu  sprechen … eine Sprache, die der andere nicht verstehen konnte.

Sprachen der Liebe?

Ja und nein. Es ist schwierig, den Austausch von Informationen als Liebessprache zu bezeichnen. Wir wissen heute, dass die Sprachen der Liebe einfach nur Kommunikationsformen sind, um Gefühle, Zärtlichkeit und Nähe auszudrücken. Tatsächlich sind unsere Sprachen völlig unterschiedlich, sowohl was das Zeigen von Zuneigung als auch was das Empfangen der Signale des Ehepartners betrifft. Wir zeigen unsere Liebe anders. Zu Beginn unserer Ehe kannten wir das Konzept der „Liebessprachen“ nicht. Wir hatten einfach den Eindruck, dass wir uns nicht verstanden, dass wir einander nicht zuhörten und dass keiner von uns wusste, wovon der andere sprach. Das Gefühl, unverstanden, ungeliebt und einsam zu sein, wuchs in uns beiden. Das ging so lange, bis eine andere Person im Leben eines von uns erschien …

Ein „Engel“

Rafael: Damals dachte ich, ich sei einem Engel über den Weg gelaufen. Im Korridor der Fernsehstation traf ich eine Frau, die so ganz anders war als meine Frau! Sie war bereit zuzuhören, schien mich zu verstehen und war bildhübsch. Sie war wie geschaffen für mich, erfüllte alle meine Bedürfnisse – sie war einfach ideal. Ich fiel in ihre Arme und, wie sich später herausstellte, in ihre Falle… Eine Beziehung entwickelte sich. Ich war also noch weniger zu Hause als vorher. Die Kluft zwischen der Welt zu Hause und der Welt „in der Stadt“ wurde immer größer… Die Idylle wurde durch die Nachricht zerstört, dass ein Kind in dieser außerehelichen Beziehung gezeugt worden war. Der Engel, der bis dahin ein wahr gewordener Traum war, begann seine Rechte einzufordern. Die Schlinge um meinen Hals begann sich zuzuziehen… Ich musste mich entscheiden, ob ich eine neue Familie gründen oder zu meiner Frau zurückkehren wollte, die übrigens auch schwanger war.

Die Zeit der Entscheidung

Joanna: Als das Verborgene kein Geheimnis mehr war, übermannte mich die Vision eines Lebens mit Kindern, aber ohne Ehemann. Gott, der Herr, benutzte meine Schwäche, um in mir den Willen freizusetzen, den Kampf um Ehe und Familie zu führen. Je länger ich überlegte, ob ich kämpfen oder aufgeben sollte, desto zahlreicher wurden die Argumente, nicht aufzugeben. Mir wurde klar, dass ich meinen Kindern nicht würde erklären können, was Beständigkeit in der Liebe, Treue zu seinem Wort oder Beharrlichkeit trotz Widrigkeiten bedeutet. Ich nahm den Fehdehandschuh auf. Ich beschloss, alles zu tun, was nötig war, um unsere Ehe zu retten.

Rafael: Ich wusste, dass ich mich entscheiden musste, mit welcher Frau ich zusammenleben wollte und welche Kinder ich täglich und welche weniger häufig sehen wollte. Ich war mir bewusst, dass ich, wenn ich meine Frau verließ, die Sakramente nicht mehr empfangen darf. Dieser Gedanke lastete schwer auf mir. Ich wollte mich nicht dazu verurteilen, außerhalb der vollen Gemeinschaft der Kirche zu leben. Menschlich betrachtet, verletzte jede Entscheidung jemanden. Eine Situation ohne guten Ausweg… Nach vielen Gesprächen mit Freunden wurde mir klar, dass mir niemand einen Rat geben konnte. Es war mein Problem, und ich musste mich ihm selbst stellen. Der Entscheidungsprozess dauerte zweieinhalb Jahre. Keine der beiden Frauen wollte nachgeben, obwohl sie beide mit unterschiedlichen Mitteln kämpften.

Die Wunder wurden verkündet

Joanna:  Viele Ereignisse könnten, menschlich gesehen, als Zufälle betrachtet werden, aber ich weiß, dass sie das Werk des Herrn waren. Der Herr hat mir Menschen auf den Weg gestellt, die mir in dieser schwierigen Zeit geholfen haben. Einer von ihnen war ein Priester, den ich ein paar Jahre zuvor kennen gelernt hatte. Als er für mich um ein Wunder zur Rettung meiner Ehe betete, geschah dieses Wunder! Oder sogar zwei. Nach dem Gebet kehrte ich mit einer an Gewissheit grenzenden Überzeugung zurück, dass alles gut ausgehen würde. Das zweite Wunder betraf mein inneres Selbst. Mein cholerisches Temperament wurde so besänftigt, dass seither, in wichtigen Kämpfen, die eigentlich einen hohen Adrenalinspiegel und eine hohe Lautstärke hätten auslösen müssen, ein tiefer Friede zu siegen begann. Nicht mein Friede, sondern der Friede, den der Herr mir geschenkt hat. Er war derjenige, der „das System zerbrach“. Er zerbrach die Intrigen, die Beziehungen und … den Ehemann. Dieser war ein Wrack. Meine Gelassenheit machte ihn neugierig und er fühlte sich dadurch zu mir hingezogen. Wir begannen zu reden, wirklich zu reden. Wir kehrten langsam von einer langen Reise zurück. Es dauerte noch viele Monate, bis wir aufatmeten. Es gab viel vor und zurück. Oft dachten wir, dass alles geklärt sei, dass die Zweifel nicht zurückkehren würden, aber die Realität überraschte uns immer wieder.

Rafael: Wir besuchten mehrmals Messen mit Heilungsgebet in Tschenstochau. Der Herr hat mich auf unterschiedliche Weise berührt: Einmal kam Er durch das Ruhen im Heiligen Geist, ein anderes Mal durch prophetische Worte. Tatsache ist, dass er immer eine Spur in meinem Herzen hinterlassen hat, die mich dazu brachte, Gottes Sicht auf meine Situation zu erkennen und eine Entscheidung zu treffen. Ich war aufgewacht. Ich war mehr und mehr in der Lage, falsches Spiel und Intrigen zu erkennen. Die Umgebung hatte es schon vorher gesehen, aber meine Augen waren noch lange von „engelsgleichen“, wenn auch langsam fallenden, Federn verdeckt.

Joanna: Ich bin zweimal zu Fuß nach Tschenstochau gepilgert, um für die Heilung unserer Ehe zu bitten. Ich kam auch in die Gemeinschaft „Sychar“. Dort fand ich Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation wie ich befanden und die für mich zu einer Stütze und einem Wegweiser wurden. In der Gemeinschaft „Sychar“ fand ich Hoffnung, denn das Charisma dieser Gemeinschaft verkündet, dass „für Gott nichts unmöglich ist und jede sakramentale Ehe gerettet werden kann“. Ich hörte nicht mehr auf die „Gutmenschen“, die mir rieten, mich um mich selbst und meine Kinder zu kümmern, anstatt zu versuchen, wieder eine vollständige Familie aufzubauen. Stattdessen setzte ich immer mehr Grenzen, was bedeutete, dass mein Mann ständig entscheiden musste, ob er mein Ehemann sein wollte oder nicht, mit allen Konsequenzen, die dies mit sich brachte.

Rafael: Die endgültige Entscheidung fiel ein paar Tage vor Weihnachten. Als ich beschloss, es mit meiner Frau und meinen Kindern zu verbringen, zeigte der „Engel“ endlich sein wahres Gesicht und es wurde klar, was er vorhatte. Daraufhin war ich… erleichtert. Ich seufzte erleichtert auf. Endlich kam ans Tageslicht, was so sorgfältig verborgen worden war. Von diesem Moment an versuchten Asia und ich, unser Leben wieder neu zu gestalten.

Vergebung

Joanna: Die Vergebung ist ein weiteres Wunder, das ich erwähnen muss. Ich hatte keine Zeit, um für die Gnade der Vergebung zu beten, und dabei wurde sie Wirklichkeit! Sehr schnell, denn es geschah bereits im Anfangsstadium des Kampfes. Ich merkte einfach eines Tages, dass ich keinen herzzerreißenden Kummer, keine Wut und keinen Hass mehr mit mir herumtrug. Ich glaube, diese Gnade erlaubte mir, in Ruhe zu bleiben, ohne zu warten, ohne ein bestimmtes Szenario zu verfolgen und ohne mich zu fragen, wie oft ich noch eine Wende erleben würde.

Rafael: Meiner Frau zu verzeihen ist eine Sache, aber mir selbst zu verzeihen eine andere. Das hat sich als eine viel größere Herausforderung erwiesen.

Schuld

Es ist nicht so, dass nur derjenige, der fremdgegangen ist, die Schuld trägt. Die Verantwortung für die Krise liegt bei uns beiden, denn jeder von uns hat dazu beigetragen, die Beziehung zu untergraben. Wir waren egoistisch, wir wollten die Karriereleiter hochklettern und sind unter deren Räder geraten. Die Arbeit, die eigentlich den Lebensunterhalt sichern sollte, wurde zum Lebensinhalt. Und das hat uns als Familie fast umgebracht.

Treue

„Ich versprechen dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet“. Es ist ein Schwur, den man seinem Ehepartner in Anwesenheit von Zeugen leistet und der mit dem Segen Gottes selbst besiegelt wird. Die heutige Welt fördert die Treue in keiner Weise, Beständigkeit ist nicht gefragt, der Kult der Kurzfristigkeit macht sich breit. Damit sind wir nicht einverstanden! Wir wollen, dass das Gelübde bis zum Ende erfüllt wird, dass das Wort gehalten wird, dass ein Beispiel gegeben wird.

Wir wollen, dass unsere Kinder eines Tages eine standfeste Familie haben, und wir wollen, dass unser Beispiel ihnen zeigt, dass wir nur siegen können, wenn wir kämpfen.

Wir wären nicht in der Lage, unseren Kindern zu erklären, dass wir unser Wort halten müssen, wenn wir selbst unser Gelübde brechen würden. Denn wie kann ich einem Kind versichern, dass ich es liebe und nicht im Stich lasse, wenn mein Ehepartner gerade von mir verlassen wurde, ungeachtet meines Gelübdes? Die Trennung der Eltern ist für ein Kind ein so traumatisches Ereignis, dass es das Risiko von psychischen Störungen und Selbstmordversuchen um ein Vielfaches erhöht, weshalb wir glauben, dass es auch aus Liebe zu den Kindern notwendig ist, den Weg zur Heilung der Ehe und der Familie einzuschlagen.

Nein! Es ist nicht nur notwendig, es ist sogar unsere Pflicht!

Gottes Plan

Während der Ehekrise begann sich Gottes Plan für uns zu verwirklichen. Wir interpretieren das jedenfalls so. Der Herr lenkte unsere Schritte nach Magdalenka. Er stellte uns Priester an die Seite, die für uns zu Familienfreunden, Beratern, Vertrauten und engagierten Seelsorgern wurden. Hier fanden wir das Exerzitienhaus „Abendmahlsaal“ und die Gemeinschaften, in die Gott uns und unsere Kinder eingeladen hat.

In unserer Pfarrei gibt es eine Initiative mit monatlichen hl. Messen für Ehepaare, in denen wir für die Stärkung und Begleitung von sakramentalen Ehen und für die Wiedervereinigung zerbrochener Ehen beten. Wir versuchen auch, Präventionsarbeit zu leisten. In jüngster Zeit haben wir Treffen und Workshops organisiert, um den Eheleuten zu helfen, harmonische Beziehungen aufzubauen, die auf gegenseitigem Verständnis und Respekt basieren.

Unsere Ehe wurde nicht gerettet, damit wir weiterhin nur für uns leben können. Uns wurde völlig umsonst eine neue Chance gegeben, also versuchen wir, umsonst zu geben, unsere Erfahrungen zu teilen, zu unterstützen, manchmal zu führen und vor allem zu verkünden, dass eine Lebenskrise nicht dazu da ist, einen Menschen zu zerstören. Im Gegenteil, sie ist dazu da, ihn stärker zu machen. Es gibt keine Grube, aus der man nicht wieder heraussteigen kann. Die Ehe hat die Fähigkeit, wie der Phönix aus der Asche wiedergeboren zu werden – aus menschlich hoffnungslosen Situationen geht sie gestärkter und widerstandsfähiger hervor.

Joanna:  Nach der Krise bekamen wir noch zwei weitere Kinder. Ich kehrte nicht in meinen alten Beruf zurück, sondern beschloss, mich um mein Zuhause und meine Familie zu kümmern. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich mich in einer solchen Rolle als Mutter, Ehefrau und Hüterin des Hauses zurechtfinden würde. Dies ist eine weitere Gnade, mit der der Herr in mein Leben getreten ist. Es ist nicht leicht, aber die Zufriedenheit, eine Familie zu haben, in die ich meine ganze Energie investiere, entschädigt für die gewaltige Aufgabe, alle Freuden, aber auch Sorgen und Frustrationen der Kinder auf sich zu nehmen. Jeden Tag lade ich den Herrn in unser Leben ein und das ist wahrscheinlich der Grund, warum wir es schaffen. Ohne Gott kann ich mir unser Leben nicht vorstellen.

Rafael: Wir sind uns heute bewusst, dass alles, was uns widerfahren ist, einen Sinn hatte.
Es geschah, um uns neu zu formen. Wir haben eine neue Beziehung zu uns selbst und zu Gott aufgebaut. Wir haben aufgehört, gegen die Welt anzurennen und zu versuchen, uns an sie anzupassen. Wir sind diejenigen, die sie verändern, nicht umgekehrt. Die Stärke von heute hat sich aus der Schwäche von gestern entwickelt. Und obwohl wir heute Frieden in unseren Herzen haben, wissen wir, dass wir uns nicht ausruhen dürfen. Am Aufbau des neuen Lebens muss ständig gearbeitet werden. Erst heute haben wir gelernt, als Team zu arbeiten, mit Jesus selbst als Bauleiter. Denn wenn nicht der Herr das Haus  baut, so arbeiten die umsonst, die daran bauen…
(vgl. Ps 127,1).

Rafael und Joanna