Sie warteten auf den Priester wie Ertrinkende auf den Rettungsring

Franz (…) schrie, dass er den Teufel sehe und die Hölle offen stehe, in die ihn Dämonen mit verschiedenen Werkzeugen hinabzuziehen versuchten. Gleichzeitig brannte seine Seele wegen der begangenen Verbrechen. Er bekannte sie jetzt laut und rief verzweifelt: „Einen Priester!!!“. Dabei versteckte er sich hinter den Krankenschwestern, die er mit beiden Händen festhielt, vor den Angriffen der bösen Geister.

Ein denkwürdiges Ereignis aus der Zeit meiner Arbeit im Krankenhaus, nach der zweiten Besatzung Lembergs durch die Russen, war der Tod des 26-jährigen Franz N.. Er war ein Schwerverbrecher und Gesetzesbrecher, was erst kurz vor seinem Tod ans Tageslicht kam. Bis zum Kriegsausbruch arbeitete er als Kutscher in einer Einrichtung für unheilbar Kranke. Als der Krieg begann, verließ er freiwillig seine bisherige Anstellung und schloss sich einer Räuberbande an. Seine Bekehrung war ein Werk der Barmherzigkeit der Allerheiligsten Muttergottes. Die Schwester Zamyslowska, vom Orden der Nächstenliebe, erbat diese Bekehrung, indem sie sechs Jahre lang täglich den Rosenkranz in diesem Anliegen betete. Sie war die Oberin der Einrichtung, in der Franz arbeitete und aus der er zu ihrem großen Kummer geflohen war.

Franz’ Bekehrung

1945 wurde er in sehr schlechtem Zustand in die chirurgische Klinik eingeliefert. Er hatte eine Lungentuberkulose und eine durch Tuberkulose verursachte eitrige Rippenfellentzündung. Er lag drei Monate lang in der Klinik. In dieser Zeit ging er dreimal zur Beichte und zur hl. Kommunion. Im dritten Monat verschlechterte sich Franz’ Gesundheitszustand von Tag zu Tag. Am 31. Oktober 1945 um 15 Uhr kam es zu einer starken Lungenblutung, während wir das Bett bezogen und die Lagerung des Kranken veränderten. Sowohl das Bett, der Fußboden als auch ich und meine Mitschwester wurden von Kopf bis Fuß mit Blut bespritzt.

Trotz dieses Vorfalls starb Franz nicht, sondern begann zu schreien, dass er die Teufel sehe und die Hölle offen stehe, in die ihn Dämonen mit verschiedenen Werkzeugen hinabzuziehen versuchten. Gleichzeitig brannte seine Seele wegen der begangenen Verbrechen. Er bekannte sie jetzt und rief laut und verzweifelt: „Einen Priester!!!“. Dabei versteckte er sich hinter den Krankenschwestern, die er mit beiden Händen festhielt, vor den Angriffen der bösen Geister. Er zog die Beine an sich und schlotterte vor Angst. Die Ermunterung auf Gottes Barmherzigkeit zu vertrauen und reuevolle Stoßgebete beruhigten den Sterbenden nicht. Die Lage wurde immer verzweifelter. Es wäre ein Wunder, um diese Zeit einen Priester auf dem Krankenhausgelände zu finden, und der Kaplan wohnte im hl. Antonius Pfarrhaus, einen Kilometer vom Krankenhaus entfernt.

Ich bat Franz, mich loszulassen, damit ich einen Priester suchen konnte, und er antwortete mir: „Ich lasse Sie nicht los, weil mich sonst die Teufel holen.“ Ich gab Franz einen Rosenkranz und sagte: „Halte ihn fest, er wird dich auch vor den Teufeln verdecken, und mich lass los!“ Ich ging verzweifelt auf den Korridor und was für ein Wunder: Auf dem Korridor ging ein Pater aus dem Karmeliterorden mit dem Mittagessen für einen kranken Bruder entlang! Ich bat ihn, die Tasche auf dem Korridor zu lassen und ins Krankenzimmer zu kommen, um einem Sterbenden die Absolution zu erteilen; gleichzeitig reichte ich ihm die Stola und die Heiligen Öle.

Als der Priester ins Zimmer trat, verschwand die Hölle mitsamt den Teufeln in einem einzigen Augenblick. Franz streckte die angezogenen Beine aus und begann eine Litanei seiner schrecklichen Verbrechen, er vergaß auch die Sakrilegien nicht, was die im Zimmer Anwesenden bereits zum zweiten Mal hörten. Der Pater bat den Büßer: „Leiser, leiser …“, aber Franz sagte mit entschiedener Stimme: „Kein »Leiser«, beim Gericht Gottes wird die ganze Welt wissen, welche Verbrechen ich begangen habe!“ – und er entledigte sich weiter all dessen, was seine größte Qual war. Als er geendet hatte und die Lossprechung erhielt, wurde er ganz ruhig, streckte seine Hände aus, so, als ob er jemanden begrüßen wollte und schrie mit letzter Kraft: „Dank Dir, Maria, Du hast mich gerettet!“. Dann legte er seine Hände auf die Brust und starb (…).

Eine sechsstündige Beichte

Die andere Schwester und ich kümmerten uns um den Leichnam, das Bett und den Fußboden, damit sich niemand ansteckte. Dann wuschen wir uns, zogen uns um (…) und gingen unseren weiteren Pflichten nach: Schwester Cecilia ins Krankenzimmer Nr. 10 und ich zurück ins Krankenzimmer Nr. 5, wo außer Franz noch acht andere schwerkranke Männer lagen. Wie groß war meine Verwunderung, als ich sah, dass keiner der Kranken im Bett lag, sondern alle unter den Betten. Ihre Köpfe hatten sie mit den Kopfkissen und Matratzen bedeckt. Sogar der Kranke am Expander, mit dem von einer Kugel zerschmetterten Knie (…) und einer schweren Wunde am Schenkel, lag unter dem Bett, losgemacht von den Stahldrähten und der Beschwerung des Beines. Als ich sein Gesicht sah, war er nicht zu erkennen: die Haare waren weiß, die Augen verdrehten sich unter den Lidern. Krampfartig hielt er die Matratze auf dem Kopf und verlangte mit schriller Stimme nach einem Priester, und zwar sofort. Auch alle anderen verlangten einen Priester.

Ich schickte sofort eine Krankenschwester, damit sie am Tor des Hauptgebäudes auf einem Schild notierte, dass wir auf der Station dringend einen Priester benötigen. Mithilfe von anderen Krankenschwestern und einem Krankenpfleger aus dem Operationssaal zogen wir die Kranken hervor und legten sie wieder in ihre Betten (…). Alle waren entsetzt und warteten auf den Priester wie Ertrinkende auf den Rettungsring. Um 1715 Uhr kam Kaplan Woroniecki. Ich passte auf dem Korridor auf, dass niemand störte, weder durch das Abendessen, noch durch die Arztvisite. Um 2315 Uhr kam der Kaplan auf den Korridor, blass und schweißgetränkt. Er fragte, was in diesem Zimmer los gewesen war und fiel wie bewusstlos auf den Boden. Zwei russische Nachtschwestern, die das gesehen hatten, kamen mir zu Hilfe, um ihn auf ein Krankenbett zu legen, bis er sich wieder erholt hatte. Zwei Pförtner begleiteten den Priester ins Pfarrhaus zurück.

Im Krankenzimmer Nr. 5 war ein einziges Schluchzen zu hören. Vom Abendessen wollten die Kranken nichts hören. Sie baten um Hilfe bei der aufgetragenen Buße. Sie wollten auch, dass man zusammen mit ihnen dankte, dass sie noch am Leben seien, dass sie beichten konnten und dass sie die Teufel nicht mit sich in die Hölle genommen haben, die sie im Zimmer gesehen hatten. Ich verbrachte die ganze Nacht bei ihnen, betete und bereitete sie auf den Empfang der hl. Kommunion vor.

Am Morgen, als sie den Priester mit dem Heiland erblickten, weinten sie laut wie Kinder. Wie angenehm müssen diese Tränen dem Erlöser gewesen sein, dessen Gnade so einen Sieg davongetragen hatte. Das Frühstück wollten sie nicht anrühren, sondern weinten und dankten für die Erlebnisse des gestrigen Tages. Ich tat das Notwendige in diesem Zimmer und lief hinaus, um die ganze Abteilung für die Arztvisite um 8 Uhr morgens vorzubereiten.

Die Arztvisite

(…) Als die Ärzte das Krankenzimmer Nr. 5 betraten, runzelte der Professor die Augenbrauen, ließ seine Augen über das ganze Zimmer wandern und die übrigen Ärzte taten es ihm nach. Nachdem er einen Augenblick schweigend die Kranken betrachtet hatte, sagte er mit wütender Stimme zu mir: „Schwester Anna! Ich habe so viele Male gebeten, dass man mir alle Änderungen, die man auf der Station vornimmt, vor der Visite meldet!“ Ich antwortete darauf: „Herr Professor, ich verstehe nicht, was Sie meinen …“.

„Wie“, sagte der Professor, „Sie wechseln das ganze Zimmer und melden es niemanden?!“ Ich antwortete: „Herr Professor, kein einziger Kranker wurde verlegt, es sind alle die Gleichen, die gestern und vorgestern hier waren.“ Der Professor antwortete: „Ich erkenne keinen einzigen Kranken!“ Der Dozent Dr. Liebhart sagte mir auf Polnisch ins Ohr: „Schwester Anna, machen Sie doch keinen Idioten aus dem Professor, es ist doch kein Kranker derselbe wie zuvor. Woher haben sie acht Kranke ohne das Wissen der Ärzte hergenommen?“ Mit den Temperaturkarten und den Diagnosen sowie mit dem Eisengehalt aus den Blutwerten überzeugte ich alle von der Richtigkeit meiner Worte.

Der Professor fragte, was der Grund dafür sei, dass alle Patienten so verändert waren und weiße Köpfe hatten. Ich sagte, dass im Zusammenhang mit dem Tod von Franz irgendeine höllische Szene im Zimmer stattgefunden hatte, die alle entsetzt, gleichzeitig aber bekehrt habe, und dass dies wahrscheinlich der Grund dafür wäre, warum alle so anders aussahen. Wortlos durchschritten die Ärzte das ganze Krankenzimmer, aber auf dem Korridor baten sie mich nachdrücklich zu beschreiben, was da los gewesen war. Stark verkürzt erzählte ich Ihnen, was vor sich gegangen war: Dass ein Priester sich zu ungewohnter Zeit eingefunden hatte und dass Franz gleich nach der Beichte und der Lossprechung verstorben sei. Daraufhin sagte Professor Karawanow: „Das ist einer der vielen Beweise, dass Gott existiert und dass der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt.“

Nach der Visite und den Operationen meldeten sich drei Ärzte bei mir – zwei Polen und ein Ukrainer – mit der bitte um Gebetsbücher. Ich sollte sie auch bei den morgendlichen Arbeiten vertreten, denn sie wollten zur Beichte und zur hl. Kommunion gehen, die sie seit dem Abitur nicht mehr empfangen hatten. Am nächsten Tag, als sie zur Arbeit kamen, waren sie bekümmert und verwandelt, ähnlich wie die Kranken. Rosenkränze und die Wunderbare Medaille nahmen sie mit Freude entgegen.

Was erlebten die Kranken?

Am Nachmittag desselben Tages hatte ich einen Augenblick Zeit, um mit den Kranken über die Ereignisse des vorherigen Tages zu sprechen. Alle bekannten, dass es Gründe gab, wofür sie in die Hölle hätten kommen sollen und dass sie nur durch ein Wunder davor bewahrt worden waren. Sie bekannten, dass sie viele Jahre lang nicht gebeichtet hatten, einer von ihnen war sogar vierzig Jahre lang nicht beichten gewesen.

Der älteste Patient ohne Bein (von einer Granate abgerissen), weinte vor Freude, dass er gestern nicht in die Hölle gekommen war, weil er es wirklich verdient hätte. Nach dem Empfang der hl. Kommunion betete er ununterbrochen um den Tod, um nie mehr Gott zu beleidigen und Ihn immer so wie heute im Herzen zu haben.
Das Gebet des alten Mannes gefiel Gott wohl und er wurde erhört – am Abend dieses Tages starb er ohne jegliche Agonie. Als die anderen Kranken den Alten sahen, weinten sie und riefen, dass auch sie heute sterben wollten. Erst als ich sie an ihre Sühne erinnerte und daran, dass sie ihr Leben nun bessern müssten, brachte Ruhe ins Zimmer.

Ich fragte die Kranken, wie Satan aussah. Sie bedeckten ihre Gesichter mit den Händen und einer von ihnen, ein Ingenieur, sagte, dass dies unmöglich zu beschreiben sei. Mit seiner Intelligenz überragt der Satan alle Gelehrten dieser Welt und sein Aussehen ist so schrecklich, dass es besser sei, alle möglichen Martern auf dieser Erde zu ertragen, als in seine Hände zu fallen. So, wie die Leute Satan malen würden, wäre es geradezu lächerlich.

Vielleicht sollte man noch anmerken, dass der Karmelit, der bei Franz die Beichte hörte, erst in diesem Monat zum Priester geweiht worden war. Er kam direkt nach seinem Studium nach Lemberg. Er wurde um 12 Uhr mit dem Mittagessen ins Krankenhaus geschickt, konnte es aber nicht sofort finden. Er kam erst, als Franz rief: „Einen Priester!!!“ (d.h. circa gegen 15 Uhr). Es sieht so aus, als hätte die Allerheiligste Mutter seine Schritte gelenkt.

Schwester Anna Grzybowska
niedergeschrieben von
Schwester M. Dorota Trybula CR, den 14. Februar 1996