Die Macht des Barmherzigkeitsrosenkranzes

Ich beobachtete meine Leidensgenossen in vier verschiedenen Krankenhäusern. Ich sah, wie das Licht in ihren Augen langsam erlosch. Sie sind gestorben, während ich lebe …

Im Angesicht des Todes

Ich war sechzehn Jahre alt. Ich kehrte mit meiner Mutter aus der Innenstadt nach Hause zurück. Meine Mutter ging schnell, und ich konnte nicht mit ihr Schritt halten. Ich ging immer langsamer. Plötzlich wurde mir schlecht, und ich setzte mich einfach auf die Erde. Mein Herz raste. Ich rief entsetzt: „Mama, hilf mir, ich kann nicht weiter!“ Meine Mutter drehte sich um und war blitzschnell bei mir. Ich weiß nicht mehr, wie ich ins Krankenhaus gekommen bin. Man hat mich sofort aufgenommen. Erst dort bemerkte ich, dass meine Haut ganz gelb geworden war.

Die Ärzte meinten zunächst, ich hätte die Gelbsucht. Man führte Blutuntersuchungen durch. Dann kam ein Arzt zu mir. Er nannte den Namen meiner Krankheit, und es klang wie ein Urteilsspruch: autoimmune hämolytische Blutarmut. „Was bedeutet das?“, fragte ich. Der Arzt erläuterte mir die ganzen komplizierten Prozesse ganz einfach: „In deinem Körper herrschen antagonistische Beziehungen vor, d.h., deine Antikörper töten deine roten Blutkörperchen.“ Nach diesen Worten verließ er das Zimmer. Meine Mutter lief ihm nach. Sie wollte aus seinem Mund die Bestätigung hören, dass ich überleben würde. Stattdessen bekam sie zu hören: „Sie als Krankenschwester fragen mich noch danach? Schauen sie sie nur an“, und der Arzt entfernte sich schnell. Da verstand meine Mutter, was er ihr hatte sagen wollen: „Ihre Tochter wird in Kürze sterben.“

Zweieinhalb Jahre lebte ich an der Grenze zwischen zwei Welten. Die ganze Zeit über bekam ich Bluttransfusionen. Ich schluckte eine Unmenge Hormone und bekam Spritzen. In den Pausen zwischen den Bluttransfusionen befand ich mich in einem seltsamen, lethargischen Zustand. In meinen Ohren summte es, und alles um mich herum schwebte. Ich befand mich in einer anderen Welt, wonach ich dann wieder in die Realität des Krankenhauslebens zurückkehrte…

Das Tagebuch der hl. Faustina

Meine Mutter erzählte mir, dass der Krankenhausseelsorger an meinem Bett gebetet und gewartet hatte, bis ich aufwachte. Eines Tages machte ich die Augen auf, als der Priester sich gerade im Zimmer befand. Von da an brachte er mir die hl. Kommunion. Dann bekam ich ein tolles Geschenk von ihm: ein dickes Buch in einem dunkelroten Umschlag. Es war das Tagebuch der Schwester Faustina. Ich fing an, darin zu lesen, und es sprach mich sofort an. Das Werk der Mystikerin begleitete mich überall hin. Es war bei mir während aller Krankenhausaufenthalte in Posen, Stettin, Warschau … Dann nahm ich es auf meinen weiteren Weg mit. Meine Großmutter schenkte mir ein Buch über die Wunder der Schwester Faustina.

Aus diesen beiden Büchern schöpfte ich meine Hoffnung auf Genesung. Ich fühlte mich auch geistig viel besser. Ich lernte, den Barmherzigkeitsrosenkranz zu beten. Von der wunderbaren Wirksamkeit dieses Gebets konnte ich mich vielfach überzeugen. Hier ein Beispiel: Eines Tages fürchtete ich mich sehr, als man mir Knochenmark entnehmen wollte. Ich hatte das schon ein paar Mal mitgemacht und wollte es nicht mehr. Vor dem Eingriff kündigte mir die Ärztin an, dass sie mich gleich ins Behandlungszimmer nehmen würden, um mir Knochenmark zu entnehmen. Ich begann, den Barmherzigkeitsrosenkranz zu beten. Da stellte sich plötzlich heraus, dass man mir einen anderen Arzt zugewiesen hatte und der neue der Meinung war, die Knochenmarkentnahme sei nicht nötig, weil die alten Untersuchungsergebnisse ausreichen würden.

„Weine nicht, deine Tochter wird gesund werden“

Ich verbrachte zweieinhalb Jahre in vier verschiedenen Krankenhäusern. Trotz der Behandlung gab es leider keine nennenswerte Verbesserung meines Wohlbefindens: niedriges Hämoglobin, gelbe Haut, unmenschliche Erschöpfungszustände … Meine arme Mutter weinte die ganze Zeit und betete. Schließlich nahm sie mich auf eigenen Wunsch aus dem Krankenhaus nach Hause. Dann wusste sie jedoch nicht, was sie mit mir tun sollte. Sie ging in eine leere Kirche, lehnte ihren Kopf an eine Bank und begann fürchterlich zu weinen. Sie übergab Gott ihren ganzen Schmerz, der sich in den zwei Jahren angesammelt hatte. Sie war so erschöpft vom Weinen, dass sie die Augen schloss.

Sie träumte, sie wäre in irgendeinem Raum. Dort befanden sich Kannen aus Metall (solche, in denen man früher Milch aufbewahrte), die randvoll mit Wasser gefüllt waren. Das Wasser floss über den Rand und ergoss sich auf den Boden. Plötzlich ging ein Fenster auf. Dahinter saß auf einem Thron die wunderschöne Muttergottes mit einer Krone auf dem Haupt. Sie war in Begleitung einer Nonne. In dieser Nonne erkannte meine Mutter die hl. Schwester Faustina. Meine Mutter fragte die Muttergottes, woher das viele Wasser in diesem Zimmer käme. Die Muttergottes antwortete: „Das sind die Tränen deiner Tochter und deine, aber weine nicht mehr, denn deine Tochter wird gesund werden.“ In diesem Augenblick wachte meine Mutter auf. Mit neuer Energie begann sie, den Barmherzigkeitsrosenkranz zu beten.

Danksagung

Nach diesem ungewöhnlichen Traum meiner Mutter bemerkte ich rasch, wie Veränderungen in meinem Körper vor sich gingen. Die gelbliche Farbe meiner Haut verschwand, das Hämoglobin ging in die Höhe. Schließlich verschwanden alle Symptome. Wie lange das Ganze dauerte? Ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern, aber es war nicht lange.

Als ich 19 Jahre alt war, besuchte ich meinen Krankenhausseelsorger. Ich wollte mich bei ihm für das Tagebuch bedanken, auch für seine Gebete und seine Fürsorge. Als der Priester eine junge Frau vor sich erblickte, die ganz gesund und fröhlich war, verschlug es ihm die Sprache. Er hatte ja mit den Ärzten im Krankenhaus über meinen Gesundheitszustand gesprochen. Der Priester sagte mir damals etwas, an das ich mich bis heute erinnere: „Mädchen, du solltest eigentlich gar nicht mehr leben …“ Dann bat er mich, alles niederzuschreiben, was ich erlebt hatte. Weil das Ganze schon über 30 Jahre her ist, kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern, was ich in meinem Zeugnis geschrieben habe. Ich weiß nur, dass es sehr lang war und von Gottes reichen Gnaden und Zeichen erzählte. Und obwohl es diesen Text nicht mehr gibt, lebe ich bis heute in der Überzeugung, dass Gott uns gibt, um was wir Ihn bitten. Und der Barmherzigkeitsrosenkranz ist ein wunderbares und überaus wirksames Gebet. Ehre sei dem Allerhöchsten für dieses wunderbare Geschenk!
B.