Die Liebe Gottes hat uns unter das Kreuz geführt und schenkte uns, anders als angenommen, Frieden und Glück. Wir glauben, dass unsere Kinder im Paradies sind, dass sie uns von dort aus unterstützen, und dass ihr kurzes Leben einen tieferen Sinn hatte, den wir nach dem Tod erfahren werden.
„Wahre Liebe führt immer unter das Kreuz; je mehr sie den Menschen gekreuzigt sieht, desto glücklicher ist sie“, diese Worte wiederholte unser Gemeindepfarrer mehrmals. Er sprach sie auch am Tag unserer Hochzeit aus, am 26. Dezember 2010. Inmitten der Feier, der lachenden Gäste und uns, dem glücklichen Brautpaar, schienen diese Worte fehl am Platz zu sein, ähnlich wie das Fest des erstes Märtyrers, Stephanus, das an diesem Tag begangen wird. Doch sie erinnerten unfehlbar daran, dass es ein Leben ohne Leid nicht gibt, und dass Leiden ohne Liebe keinen Sinn hat.
Wir kommen beide aus gläubigen Familien und unser Leben drehte sich immer um die Kirche und ihr Umfeld. Als Verlobte gehörten wir der Bewegung der Reinen Herzen an, deshalb vertrauten wir unsere Ehe von Anfang an Gott an.
Ein paar Monate nach der Hochzeit bekamen wir die Gnade, Eltern zu werden. Unsere Freude währte jedoch nur sechs Wochen lang. Dann hörte das Herz unseres Kindes auf zu schlagen, und ich kam ins Krankenhaus, wo ich erfuhr, „dass ich nicht verzweifeln soll, weil dieses Problem in der heutigen Zeit jede zweite Frau betrifft“ … Die Zeit der Trauer nach dem Verlust des Kindes war sehr schwer für mich. Ich fühlte eine Leere, die ich mit nichts ausfüllen konnte. Viel Schmerz bereitete mir die Einstellung von Menschen, die das, was uns widerfuhr, für etwas Nichtiges hielten – so, als ob ich nie einen Menschen unter meinem Herzen getragen hätte, der seit Ewigkeiten in den Plänen Gottes gegenwärtig gewesen war …
Mein Mann und ich versuchten, die Traurigkeit und das Bedauern loszuwerden, indem wir uns in Arbeit stürzten. Wir beide standen damals am Anfang unseres Berufslebens. Das erforderte großes Engagement, deshalb fiel es leichter, Probleme zu vergessen. Es gelang uns also in gewisser Weise, unsere Wunden zu „heilen“. Dazu kam, dass die Firma meines Mannes in dieser Zeit ans andere Ende der Stadt umzog. In dieser Situation beschlossen wir, ebenfalls umzuziehen, um näher am Arbeitsplatz meines Mannes zu sein. Die Wohnung, die wir fanden, war nur 15 Minuten zu Fuß vom Sanktuarium der Göttlichen Barmherzigkeit in Lagiewniki (Krakau – Anm. d. Ü.) entfernt. Jeden Morgen nahmen wir dort in der Kapelle am Gottesdienst teil, und abends kamen wir oft zur Anbetung des Heiligsten Sakraments.
Kurz darauf erhielten wir wieder die Gnade der Elternschaft. Doch die Situation entwickelte sich ähnlich wie beim ersten Mal – in der sechsten Schwangerschaftswoche kam ich ins Krankenhaus. Der Arzt, der die Ultraschalluntersuchung durchführte, stellte den Tod des Embryos fest. Es zeigte sich, dass das Herz der Kleinen nicht mehr schlug … Weil es mitten in der Nacht war, verlegte der Arzt die Ausschabung der Gebärmutter (um diese zu reinigen) auf die Morgenstunden. Er versuchte mich zu trösten, indem er sagte, dass „nicht jede Frau Mutter sein muss“ … In dieser Nacht wurde mein Glaube auf die Probe gestellt … Ich war sehr böse auf Gott. Seine Vorstellungen schienen für mich keinen Sinn zu ergeben. Ich schrie zu Ihm und stritt in Gedanken mit Ihm. Ich bat meine verstorbene Großmutter um Hilfe, die ich immer bei wichtigen Angelegenheiten um Fürbitte bat. Auch dieses Mal unterstützte sie mich. Am Morgen stritt ich nicht mehr mit Gott, war nicht mehr nervös, und es gelang mir einigermaßen ruhig, den Rosenkranz zu beten.
Vor dem Eingriff führte man nochmals eine Ultraschalluntersuchung durch, die die Ärzte in große Verwirrung stürzte, und mich auch: Es stellte sich heraus, dass das Herz unseres Kindes immer noch schlug, und alles schien den Ereignissen aus der vorherigen Nacht zu widersprechen. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen mit der Auflage, mich zu schonen. Wir waren glücklich, und ich schämte mich für meine Einstellung und für alles, was ich in meinem Unglück zu Gott gesagt hatte … Ich bat Jesus um Verzeihung, dass ich an Ihm und seinen Plänen gezweifelt und dass ich mich wie der Apostel Petrus erschreckt hatte. Ich war dankbar für das Wunder, dass mein Kind am Leben war, und dafür, dass Gott mir gezeigt hatte, wie viel ich noch lernen musste, wenn ich seinen Weg gehen wollte.
Einige Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt zeigte eine weitere Ultraschalluntersuchung viele Anomalien bei der Entwicklung unserer Tochter. Wir wurden über einen wahrscheinlichen Gendefekt bei dem Kind und über seine tödliche Erkrankung informiert … Man empfahl weitere invasive Untersuchungen sowie die Erwägung einer Abtreibung.
Als wir aus der Praxis herauskamen, war das Einzige, was uns in den Sinn kam, die Kapelle der Ewigen Anbetung in Lagiewniki. Dort saßen wir dann still und betrachteten das Antlitz Jesu. Dort fühlten wir Frieden.
Weitere Diagnosen bestätigten bei unserer Tochter, der wir den Namen Klara gaben, das Edwards-Syndrom. Und immer noch war die einzige Lösung, die man uns anbot, eine Abtreibung … Aufgrund der schlechten Prognosen für das Kind ermutigte uns niemand, dieses Kind auf die Welt zu bringen … Die Welt sagte vielmehr: „Weshalb sollte man sein Kreuz auf die Schultern nehmen und es tragen, wenn man das Problem so leicht loswerden kann?“ Trotz der schweren Situation lehnten wir eine Abtreibung ab. Der Arzt überließ uns die Wahl und versicherte uns, dass er uns bei jeder Entscheidung zur Seite stehen würde. Er kritisierte uns niemals, noch versuchte er, uns seine Meinung aufzudrängen. Er tat für das Wohl unseres Kindes alles, was die Medizin und das Recht in solchen Situationen erlaubten.
Zum Ende des ersten Trimesters der Schwangerschaft ging ich zur Beichte. Ich sprach nicht über mein krankes Kind, noch über das früher verlorene Kindlein. Es war eine „normale“ Beichte am ersten Freitag des Monats. Vor der Lossprechung fragte der Priester, ob ich ein Kind verloren hätte? Ich bejahte erstaunt. Der Priester lud mich und meinen Mann zu einem Treffen für Eltern ein, die in einer ähnlichen Lage wie wir waren. Wir waren damals psychisch geschwächt wegen der Krankheit Klaras, doch das größte Problem, das wir damals hatten, war eben das, dass wir ein Kind verloren hatten. Klara war zwar krank, doch sie lebte unter meinem Herzen, und das konnte keiner infrage stellen. Es tat mir weh, dass es so war, als ob das vorherige Kind gar nicht zu existieren schien. Jede Mutter, die ein Kind verloren hat, weiß, dass der Schmerz immer derselbe ist, egal in welchem Alter das Kind war. Dank der Treffen, die uns der Beichtvater vorgeschlagen hatte, wurde unser erstes Kind „wieder ins Leben gerufen“. Wir nannten ihn Jan. Wir verabschiedeten uns symbolisch von ihm und übergaben ihn in die Hände Gottes. Erst da fühlten wir, dass wir alles getan hatten, was wir hatten tun sollen.
Wir gaben auch uns selbst wie Kinder in die Obhut der Allerheiligsten Muttergottes und machten uns von da an um nichts mehr Sorgen. Aufgrund von Blutungen und anderen Bedrohungen verbrachte ich die Schwangerschaft alleine zu Hause, denn mein Mann musste arbeiten. Ich wurde jedoch weder depressiv noch verzweifelte ich. Ich freute mich über jede Bewegung unserer Tochter, über jedes Ultraschallbild, über jeden gehörten Herzschlag … Wir dachten damals nicht über die Zukunft nach. Wir akzeptierten die Krankheit unseres Kindes und alle damit verbundenen Konsequenzen. Ich wusste, dass Klara ebenso wie unser Sohn Jan schon von je her in den Plänen Gottes existierte und der Herr einen bestimmten Plan für sie hatte. Wir konnten diesen Plan nicht begreifen. In den Augenblicken des Zweifels und der Angst unterstützen wir uns gegenseitig und fanden Trost und Stütze in der Eucharistie. Wenn einem alles über den Kopf wächst und man auf nichts Einfluss hat, dann muss man Gott vertrauen und sich Ihm wie ein hilfloses Kind weihen.
Heiligabend 2013 verbrachten wir bei meinen Schwiegereltern. Es war die 34. Schwangerschaftswoche. Abends ging es mir sehr schlecht. Ich konnte nicht zur Weihnachtsmette gehen. Ich blutete und hatte große Schmerzen. Ich kam ins Krankenhaus, weil die Gefahr bestand, dass ich früher gebären würde. Die Ärztin im Krankenhaus, die die Ultraschalluntersuchung durchführte, teilte mir besorgt mit, dass Klara nicht mehr lebte, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen … Es war der 28. Dezember, das Fest der Unschuldigen Kinder, also der Kinder, die zu den ersten Märtyrern wurden … Die Geburt eines toten Kindes war schwer, doch unsere Tochter konnte normal und würdig auf die Welt kommen. Am letzten Tag des Jahres, als alle sich für Silvester bereit machten, bereiteten wir uns darauf vor, unser Kind hier auf Erden zu verabschieden. Wir fanden einen Priester, der eine hl. Messe in unserem Anliegen feierte. Wir konnten den kleinen Sarg mit dem Leib unserer Klara in die Pfarrkirche tragen. Das war ein wichtiges und außergewöhnliches Ereignis für uns. Klara wurde mit Achtung für ihren Leib und ihre unsterbliche Seele verabschiedet. Ihr Grab wurde auch zum symbolischen Grab für Jan – ihren und seinen „Platz“ hier auf Erden.
In dieser Zeit klammerten wir uns fest an die Muttergottes, beteten die Novene von Pompei und baten Maria, sie möge uns helfen, diese schwere Erfahrung durchzustehen. Wir hofften, dass es uns gelungen war, das Ganze nach dem Willen Gottes zu durchleben. Die Liebe Gottes hat uns unter das Kreuz geführt und schenkte uns, anders als angenommen, Frieden und Glück. Wir glauben, dass unsere Kinder im Paradies sind, dass sie uns von dort aus unterstützen, und dass ihr kurzes Leben einen tieferen Sinn hatte, den wir nach dem Tod erfahren werden.
Gott ließ uns nicht lange ohne Kinder. Drei Monate nach Klaras Tod trug ich wieder neues Leben unter dem Herzen. Nächstes Weihnachten freuten wir uns über das Wunder der Geburt eines gesunden Kindes – Lucia Maria. Dann kam noch Franziskus (2017) und vor kurzem Michael (2020). Wir besuchen oft mit unseren Kindern das Grab von Klara und Jan und bitten durch ihre Fürsprache in wichtigen Anliegen. Wir sind Gott dankbar dafür, dass Er uns mit vielen Kindern gesegnet hat, sowie dafür, dass Er uns in jedem Augenblick unseres Lebens an der Hand führt. Ehre sei dem Herrn!
Anna und Christoph
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