Ein Fünkchen mit einem großen Herzen

Helene sollte einen Ventrikelseptumdefekt am Herzen haben. Es bestand auch ein sehr hohes Risiko, dass sie mit dem Downsyndrom oder mit einer der Trisomien auf die Welt kommt. Dem Genetiker zufolge würde sie die Geburt nicht erleben oder schwer krank geboren werden.

Ich war nicht ganz 29 Jahre alt. Es fügte sich so, dass meine Schwangerschaft von einem der besten Ärzte in der Stadt begleitet wurde, einem Spezialisten für pränatale Diagnostik. Nach einer Ul­traschalluntersuchung teilte er mir sehr rücksichtsvoll, aber bestimmt, mit, dass da etwas nicht stimme. Er fügte hinzu, dass das Kind schon ein ausgebildetes Nasenbein haben sollte und dass die Nackentransparenz etwas höher als die Norm sei. Er überwies mich an die Pränatalpraxis, in der er arbeitete, weil sich dort bessere Geräte befanden als in seiner Praxis.

Anomalien und Risiken

Als ich in die Pränatalpraxis kam, saß ich im Wartezimmer mit Frauen zusammen, die viel älter waren als ich. Doch ich war die Einzige von allen, die mit Tränen in den Augen die Praxis verließ. Dank der besseren Geräte konnte mein Arzt, abnormale Venenströme, eine rückläufige A-Welle (Dopplersonografisch ermittelter Aderfluss) und einen Ventrikelseptumdefekt (ein angeborener Herzfehler) erkennen. Der Computer errechnete unser Risiko für das Downsyndrom auf 1:2. Andere Trisomien leuchteten ebenfalls rot auf. Bluttests bestätigten diese Annahmen. Es waren zwar nur statistische Berechnungen, aber die rückläufige A-Welle ist ein 90%er genetischer Defektmarker …Ich vereinbarte schnell einen Privattermin bei einem anderen Spezialisten in der Stadt, um eine andere oder zumindest eine etwas optimistischere Diagnose zu hören. Leider bestätigte der zweite Arzt den Ventrikelseptumdefekt und auch alle anderen Anomalien. Der Genetiker prognostizierte, dass auch wenn das Ergebnis normal ausfallen sollte, das Kind ganz sicher einen tödlichen Defekt hätte. Ich bekam von ihm zu hören, dass „es gar keine Chancen gibt, dass das Kind gesund auf die Welt kommt und dass vielmehr die Möglichkeit besteht, dass es die Schwangerschaft nicht überlebt“ Trotz allem entschied ich mich nach langen Gesprächen mit meinem Mann gegen eine Fruchtwasseruntersuchung. Ich fürchtete sehr, dass dieser invasive Eingriff unsere gemeinsame Zeit verkürzen würde. Ich wollte, dass das Kleine so lange wie möglich bei mir bleibt.

Das war eine schwere Zeit. Ich spürte Angst vor einer Fehlgeburt, Angst, dass ich zuschauen müsste, wie mein Kind nach der Geburt stirbt, dass es missgebildet oder abstoßend sein könnte. Doch das Gebet und der Glaube gaben mir Trost. Manch einer könnte nun denken, dass alles, was in dieser Risikoschwangerschaft passierte, Zufälle waren, aber ich glaube, dass Gott wie ein guter Vater meinen Mann und mich durch diese schwere Zeit führte und uns dabei an den Händen hielt.

Hoffnung

In der ersten Nacht, nachdem ich die Diagnose bekommen hatte, betete ich um Hilfe. Ich tat dies in der Überzeugung, dass, wenn mein Vater schon alles tun würde, um die Kleine gesund zu erhalten, dann erst recht der Vater im Himmel… Der Schmerz und die Angst, die ich damals fühlte, waren so schwer zu ertragen, dass ich die Heilige Schrift öffnete- genau an der Stelle, an die ich einst das Bild von der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. hineingelegt hatte. An dieser Stelle las ich auch, dass es eine Hoffnung für mein Kind gibt. Es handelte sich um folgende Stelle aus dem Buch Jeremia: „So spricht der Herr: Horch! In Rama ist Wehklage und bitteres Weinen zu hören. Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen wegen ihrer Kinder, denn sie sind nicht mehr. So spricht der Herr: Verwehre deiner Stimme das Weinen und deinen Augen die Tränen! Denn es gibt einen Lohn für deine Mühe – Spruch des Herrn: Sie werden zurückkehren aus dem Feindesland. Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft – Spruch des Herrn: Die Kinder werden zurückkehren in ihr Gebiet“ (Jer 31,15-17). Ich las die Worte noch ungläubig. Doch sie begleiteten mich die ganze Schwangerschaft hindurch. Mit jedem Monat, der verging, zeigte sich, dass die anfänglichen Anomalien verschwanden. Eine weitere genetische Untersuchung, die wir haben durchführen lassen, zeigte eigentlich ein gesundes Kind, und was für mich besonders wichtig war – mit einem gesunden Herzen und korrekt funktionierenden inneren Organen. Selbst wenn das Kind mit dem Downsyndrom auf die Welt kommen sollte, so war es für mich am wichtigsten, dass es gesund war.

Ein Apgar-Score von 10 Punkten

Und so kam es auch. Helene kam am 23. Februar 2012 auf die Welt. Groß, stark und mit 10 Punkten auf der Apgar-Skala. Sie war völlig gesund, aber einen Monat nach der Geburt erlitt sie einen schweren Schlaganfall im zentralen Nervensystem, den sie dank der schnellen und richtigen Entscheidungen der Ärzte von der Intensivstation in Oppeln ohne negative Folgen für ihre Gesundheit überstand. Bis heute wissen wir nicht, was diesen Schlaganfall verursacht hat. Heute ist Helene ein zehnjähriges Fünkchen mit einem großen Herzen. Sie ist ein kluges, schönes und resolutes Mädchen. Wir können uns ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Rückblickend weiß ich, dass die schwierige Zeit, als wir sie erwarteten, und der Kampf um ihr Leben und ihre Gesundheit unsere Ehe und unseren Glauben gestärkt haben. Ich bin mir dessen bewusst, dass viele Frauen einen ähnlichen und sogar noch schlimmeren Albtraum durchmachen, ohne die nötige Unterstützung zu haben. Ich hatte das Glück, auf gute Ärzte zu treffen, die keinen Druck auf mich ausübten, sondern mich lediglich auf die Möglichkeiten aufmerksam machten, die das Gesetz vorsieht. Mein Mann, meine Familie und Freunde standen mir bei und dafür bin ich Gott unendlich dankbar.

Amelia Olszewska

Quelle: Życie. Bez wyjątków (dt. Das Leben. Ohne Ausnahmen), Polnische Vereinigung der Lebensschützer, Krakau 2021