Schwangerschaftsabbrüche sind die häufigste Todesursache auf der Welt. Die neuesten Schätzungen gehen von 73 Millionen Abtreibungen pro Jahr aus und nicht wie früher angenommen von etwa 42 Millionen. Somit sterben jedes Jahr mehr Menschen durch Abtreibung als die Population von Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Italien oder Frankreich umfasst…
Diese schockierende Zahl zeigt das Ausmaß eines Phänomens, das der heilige Johannes Paul II. als eine „Kultur des Todes“ bezeichnete, die auf einer „Struktur der Sünde“ beruht. Sie betrifft nicht nur das Gewissen einzelner Menschen, sondern hat auch globale Auswirkungen und schafft dauerhafte Strukturen, die soziale und internationale Beziehungen zerstören. Derzeit gibt es nur in sechs hoch entwickelten Ländern einen gesetzlichen Schutz für ungeborene Kinder. Zu dieser Gruppe gehören: Andorra, Malta, Monaco, San Marino, Liechtenstein und Polen. Auf internationaler Ebene wird aber starker Druck auf diese Länder ausgeübt, die Abtreibung zu befürworten. Im Jahr 2021 hat das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, in der geforfert wurde, die Abtreibung „auf Verlangen“ in der gesamten Europäischen Union sofort einzuführen. Auch die UNO übt Druck auf einzelne Länder aus und fordert die Legalisierung der Abtreibung. Diese Maßnahmen sind Teil des laufenden Prozesses, Abtreibungen als ein grundlegendes Menschenrecht zu betrachten (zu denen ironischerweise auch das Recht auf Leben gehört).
Auch in den USA geht der Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern des Schwangerschaftsabbruchs weiter. Vor kurzem hat der Oberste Gerichtshof der USA, nach fast 50 Jahren, das Urteil Roe vs. Wade aus dem Jahr 1973 gekippt und damit die Möglichkeit eröffnet, dass Abtreibungsgesetze von den einzelnen Bundesstaaten erlassen werden können. Bis heute hat dieses liberale Gesetz zum Tod von fast 60 Millionen ungeborenen Kindern geführt. 13 Bundesstaaten haben die neue rechtliche Möglichkeit bereits genutzt und in unterschiedlichem Maße einen Schutz für ungeborene Kinder eingeführt. In Kalifornien und Minnesota ist leider das Gegenteil der Fall, wo die Abtreibung bis zur Geburt legalisiert wurde. Erfahrungen zeigen, dass die erlassenen Gesetze einen großen Einfluss auf die Zahl der durchgeführten Abtreibungen haben. Ein positives Beispiel dafür ist Polen, wo am 22. Oktober 2020 das Verfassungsgericht entschied, dass die Bestimmung des Abtreibungsgesetzes von 1993, die einen Schwangerschaftsabbruch im Falle einer schweren und irreversiblen Behinderung des Fötus oder einer unheilbaren lebensbedrohlichen Krankheit erlaubt, verfassungswidrig ist. Die Bestimmung ist Ende Januar 2021 in Kraft getreten. Die Auswirkung dieses Urteils zeigt sich in der Statistik: 2019: 1110 Schwangerschaftsabbrüche, 2020: 1053 Schwangerschaftsabbrüche, 2021: 107 Schwangerschaftsabbrüche. Die Dunkelziffer ist darin nicht berücksichtigt.
Ein großes Geschäft
In den Vereinigten Staaten zeigt sich, neben dem juristischen Kampf um den Schutz des Lebens, auch deutlich die finanzielle Seite des Abtreibungsgeschäfts. Aus dem Bericht von Planned Parenthood für das Finanzjahr 2020-2021 geht hervor, dass das Unternehmen in diesem Zeitraum einen Rekordwert von 383.460 Schwangerschaftsabbrüchen durchführte und die bisher höchsten Zuschüse erhielt: 633,4 Millionen Dollar. Der Umsatz belief sich auf 1,7 Milliarden Dollar und der Gewinn auf 133,7 Millionen Dollar. Die Zahl der bei Planned Parenthood durchgeführten Abtreibungen ist in diesem Zeitraum erheblich gewachsen, während die Summe der anderen von ihr angebotenen Dienstleistungen zurückgegangen ist. In den gesamten Vereinigten Staaten wurden etwa 40 % der Abtreibungen in Einrichtungen von Planned Parenthood durchgeführt. Trotz dieser eindeutigen Zahlen versucht die Organisation hartnäckig zu behaupten, dass ihre Hauptaufgabe und ihr Hauptziel nicht darin besteht, sich an den durchgeführten Abtreibungen zu bereichern. Erinnern wir an die Aussage von Abby Johnson, der ehemaligen Leiterin der Planned Parenthood-Kliniken. Sie hat klar und deutlich gesagt, dass das ständige Erhöhen der Abtreibungszahlen das Geschäftsmodell der Organisation ist. Carol Everett, ehemalige Besitzerin einer Kette von Abtreibungseinrichtungen, äußerte sich ebenso unmissverständlich über das Abtreibungsgeschäft. Sie enthüllte, dass man die Anzahl der Abtreibungen in die Höhe treibe, um größere Einnahmen zu erzielen, wobei die Gesundheit und manchmal sogar das Leben der Frauen aufs Spiel gesetzt wird.
Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch
Der Kampf zwischen Abtreibungsbefürwortern und Abtreibungsgegnern, der sich in der Welt abspielt, ist nicht nur eine Frage des Geldes, der Überzeugungen der Menschen oder der politischen Auseinandersetzungen; er betrifft auch das Gewissen eines jeden Menschen. Der heilige Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ darauf hingewiesen, wo die Wurzeln dieser Sünde liegen. Der Heilige Vater schrieb von einer „empfängnisverhütenden Mentalität“, die das Gegenteil von verantwortungsvoller Elternschaft ist. Denn wenn es um die Empfängnis eines „unerwünschten“ Lebens geht, wird die Abtreibung zu einer großen Versuchung. Der Papst erklärte, was Verhütung mit der Abtreibung verbindet: „In der Tat hat sich die Abtreibungskultur gerade in Kreisen besonders entwickelt, die die Lehre der Kirche über die Empfängnisverhütung ablehnen. Sicherlich sind vom moralischen Gesichtspunkt her Empfängnisverhütung und Abtreibung ihrer Art nach verschiedene Übel: die eine widerspricht der vollständigen Wahrheit des Geschlechtsaktes als Ausdruck der ehelichen Liebe, die andere zerstört das Leben eines Menschen; die erste widersetzt sich der Tugend der ehelichen Keuschheit, die zweite widersetzt sich der Tugend der Gerechtigkeit und verletzt direkt das göttliche Gebot »du sollst nicht töten«. Aber trotz dieses Unterschieds in ihrer Natur und moralischen Bedeutung stehen sie, als Früchte ein und derselben Pflanze, sehr oft in enger Beziehung zueinander.“ (EV 13). Der Heilige Vater stellte fest, dass Verhütung oder Abtreibung manchmal aufgrund verschiedener Probleme und Schwierigkeiten gewählt werden, aber sie entbinden niemanden davon, Gottes Gebote zu befolgen. Die Umstände können die Verantwortung und die Schuld derjenigen, die eine Entscheidung gegen das Leben treffen, verringern, aber sie ändern nichts an der Natur der bösen Tat. Der Papst wies jedoch darauf hin, dass Abtreibung und Empfängnisverhütung in vielen Fällen das Ergebnis eines hedonistischen und unverantwortlichen Umgangs mit dem Sexualleben und einer egoistischen Auffassung von Freiheit sind. Das gezeugte Leben wird dann zu einem Feind, den es zu vermeiden und, wenn die Verhütung versagt, zu beseitigen gilt.
Entartetes Verständnis von Freiheit
Ein weiterer wichtiger Grund für die Verbreitung der Abtreibung, den Johannes Paul II. hervorhob, ist der entartete Begriff der Freiheit. Mit großem Aufwand wird durch die Abtreibungsbefürworter die Ansicht verbreitet, dass die Entscheidung für eine Abtreibung Ausdruck der persönlichen Freiheit und ein Menschenrecht sei. Der Papst hat diese Realität als den „Krieg der Starken gegen die Schwachen“ bezeichnet. Die Auswirkungen zeigen sich deutlich in den Geschichten von Menschen, die eine Abtreibung überlebt haben. Ein Beispiel ist Gianna Jessen, die durch einen Eingriff mit Kochsalzlösung sterben sollte. Sie wurde lebend geboren. Jahre später, inzwischen eine erwachsene Frau, stellte sie Abtreibungsbefürwortern die Frage: „Wenn Abtreibung das Recht der Frau ist, wo waren dann meine Rechte? Giannas Leben entlarvt die Falschheit eines solchen Verständnisses des Rechts auf Entscheidungsfreiheit. Johannes Paul II. hat das entartete Freiheitsverständnis treffend beschrieben: „Die Freiheit verleugnet sich selber, zerstört sich selber und macht sich zur Vernichtung des anderen bereit, wenn sie ihre grundlegende Verbindung mit der Wahrheit nicht anerkennt und nicht mehr respektiert. [….] (Dann) hört der Mensch auf, als einzigen und unanfechtbaren Anhaltspunkt für seine Entscheidungen nicht mehr die Wahrheit über Gut und Böse anzunehmen, sondern nur noch seine subjektive und wandelbare Meinung oder gar sein egoistisches Interesse und seine Laune.“ (EV 19). Der Papst zeigte auch die Folgen eines solchen Freiheitsverständnisses für das gesellschaftliche Leben auf: „Das geschieht denn auch in der Tat im eigentlich politisch-staatlichen Bereich: das ursprüngliche, unveräußerliche Recht auf Leben wird auf Grund einer Parlamentsabstimmung oder des Willens eines – sei es auch mehrheitlichen – Teiles der Bevölkerung in Frage gestellt oder verneint. Es ist das unheilvolle Ergebnis eines unangefochten herrschenden Relativismus: das »Recht« hört auf Recht zu sein, weil es sich nicht mehr fest auf die unantastbare Würde der Person gründet, sondern dem Willen des Stärkeren unterworfen wird. Auf diese Weise beschreitet die Demokratie ungeachtet ihrer Regeln den Weg eines substantiellen Totalitarismus.“ (EV 20). Die 73 Millionen ungeborene Kinder, denen in einem einzigen Jahr das Leben geraubt wird, sind eine Zahl, die die Summe der Opfer der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts um ein Vielfaches übersteigt.
Schwächung der Sensibilität für Gott und den Menschen
Der heilige Johannes Paul II. wies darauf hin, dass die tiefste Ursache für den Kampf zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ die Schwächung der Sensibilität für Gott und den Menschen ist. In der heutigen Welt stellt dieses Phänomen eine sehr ernste Bedrohung dar. Der Papst lehrte: „Wenn man den Sinn für Gott verliert, verliert man bald auch den Sinn für den Menschen, für seine Würde und für sein Leben; die systematische Verletzung des Moralgesetzes, besonders was die Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Würde betrifft, erzeugt ihrerseits eine Art fortschreitender Verdunkelung der Fähigkeit, die lebenspendende und rettende Gegenwart Gottes wahrzunehmen.“ (EV 21). Das ganze Leben des Menschen – sowohl auf der Erde als auch in der Ewigkeit – ist also von seiner Sensibilität für Gott und den Menschen abhängig. Der Heilige Vater erläuterte die Folgen eines Mangels an dieser Sensibilität: „Der Mensch vermag sich nicht mehr als »in geheimnisvoller Weise anders« als die verschiedenen irdischen Lebewesen wahrzunehmen; er sieht sich als eines der vielen Lebewesen, als einen Organismus, der bestenfalls eine sehr hohe Vollkommenheitsstufe erreicht hat. In den engen Horizont seiner Körperlichkeit eingeschlossen, wird er gewissermaßen zu »einer Sache« und beachtet nicht mehr den »transzendenten« Charakter seines »Existierens als Mensch«. Er sieht das Leben nicht mehr als ein großartiges Geschenk Gottes an, als eine »heilige« Wirklichkeit, die seiner Verantwortung und damit seiner liebevollen Obhut, seiner »Verehrung« anvertraut ist. Es wird einfach zu »einer Sache«, die er als sein ausschließliches, total beherrschbares und manipulierbares Eigentum beansprucht“ (EV 22). Das ungeborene Kind wird nicht mehr als vollwertige Person betrachtet, sondern als Objekt einer beliebigen Entscheidung eines Erwachsenen.
Siehe, der Mensch (ecce homo)
Bei der Diskussion über die Abtreibung müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass es um das Leben konkreter Kinder geht. In der Tat beginnt das menschliche Leben bereits im Moment der Empfängnis. Dies ist eine unbestreitbare wissenschaftliche Tatsache (vgl. www.princeton.edu/~prolife/articles/embryoquotes2.html). Von der Empfängnis an verfügt ein Mensch über seinen eigenen, einzigartigen Satz von Genen, ein bestimmtes Geschlecht, eine bestimmte Augen- und Haarfarbe und seine vorherrschenden Charaktereigenschaften. Ab dem 21. Tag beginnt das Herz des Babys zu schlagen. Ab der 7. Schwangerschaftswoche kann es mit Hilfe der sich bildenden Schmerzrezeptoren Schmerzen empfinden. Mit der Empfängnis beginnt der fließende Prozess der menschlichen Entwicklung. Die Glaubenskongregation erklärt: „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an „der Schöpfermacht Gottes“ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel. Nur Gott ist der Herr des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende“ (Donum vitae). Einem ungeborenen Kind das Leben zu nehmen, bedeutet, sich gegen Gott selbst zu stellen. Der heilige Johannes Paul II. erklärte: „Wer […] nach dem Leben des Menschen trachtet, trachtet Gott selbst nach dem Leben“ (EV 9).
Die Pro-Life-Strategie
Die Strategie der Pro-Lifer beschränkt sich nicht auf den Widerstand gegen die Abtreibung. Es geht um die Sorge des Lebens all derer, die durch die Sünde der Abtreibung verletzt werden könnten; es geht um den Kampf um ihre Seelen. Deshalb gehört zur Strategie der Pro-Lifer vor allem das Gebet. Das bekannteste Gebet ist die geistige Adoption eines ungeborenen Kindes. Zweitens ist Bildung sehr wichtig für die Verteidigung des Lebens. Es ist notwendig, sich ein fundiertes Wissen anzueignen, um nicht auf Manipulationen hereinzufallen, um in Diskussionen mitreden zu können und um die erworbenen Informationen an andere weiterzugeben. Drittens: Es ist wichtig, zu helfen. Lebensschutz bedeutet auch konkrete, materielle Hilfe für Bedürftige und finanzielle Unterstützung für Organisationen, die dem Leben dienen (vgl. prolifeeurope.org). Solche umfassende Maßnahmen tragen konkrete Früchte beim Aufbau einer Zivilisation des Lebens und der Liebe. Die Aufgabe, das Leben zu verteidigen, ist so wichtig, dass sie niemandem gleichgültig sein darf.
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