Unser „großer“ kleiner Held

Im Kreißsaal (…) verabschiedeten wir uns von unserem Sohn, drückten ihn an uns, küssten ihn und weinten. Niemand trieb uns zur Eile. Das war unsere Zeit. Wir danken Gott für dieses Geschenk, für die schönsten fünf Stunden, die wir mit unserem Sohn verbringen durften.

Mit diesem Zeugnis möchten wir niemand bekehren. Wir wollen nur begründen, warum wir für das Leben ungeborener Kinder sind. Wir wollen zeigen, warum das Leben für uns Christen solch einen hohen Wert ab dem Moment der Empfängnis hat. Wir wollen auch Zeugnis davon ablegen, welch große Kraft Gott einem schenkt, wenn man Ihm sein Leid übergibt.

Über die Schwangerschaftsanomalien wussten wir von Anfang an. Unser Sohn Stas hatte einen tödlichen Gendefekt – das Edwards-Syndrom. Kinder mit diesem Syndrom leben nur kurz, wenn sie überhaupt bis zur Geburt überleben. Als ich erfuhr, dass ich diese Schwangerschaft wahrscheinlich bis zum Ende austragen werde, war ich geschockt, weil ich früher nur gehört hatte: „Das Herz ihres Kindes kann jederzeit aufhören zu schlagen.“ Das waren Worte, die ich immer im Ohr hatte. Ich wusste, dass ich eigentlich nichts wusste. Diese Ungewissheit war unerträglich.

Es war uns jedoch bewusst, dass das unser Kreuz ist, das uns näher zu Jesus bringt. Wir beteten. Mein Mann begann die Novene von Pompei zu beten und beendete sie in der Nacht, in der ich gebar. Wenn man ein Problem hat, ist es im Leben so, dass man es jemandem anvertrauen muss, damit er hilft, es zu lösen. Wir haben unser Problem Gott anvertraut. Wir waren im Sanktuarium in Buk und fuhren dann nach Grojec, um den hl. Stanislaw Papczynski um ein Wunder und um Schutz für uns zu bitten (die Fürsprache dieses Heiligen beeinflusste die Namensgebung unseres Sohnes). Wir baten Gott, er möge uns helfen, mit diesem Kreuz zu leben, und Er möge uns die nötigen körperlichen und vor allem psychischen Kräfte verleihen, um dieses Kreuz zu tragen.

Obwohl Stas eine unnatürliche Position im Mutterleib einnahm, gab er oft durch schüchterne Tritte zu verstehen, dass er da war. Unser älterer Sohn Jakob, der damals dreieinhalb Jahre alt war, verstand nicht ganz, dass sein Bruder sehr schwer krank ist. Er schmiegte sich an meinen Bauch, küsste ihn und fragte: „Mama, wann holst du ihn heraus? Ich will ihn schon sehen.“ In der letzten Nacht vor der Geburt legte mein Mann seine Hände auf meinen Bauch und sagte im Geiste folgendes Gebet: „Jesus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme Dich unser!“ Meine Schmerzen wurden stärker und wir fuhren ins Krankenhaus nach Posen. Stas kam zwei Monate vor dem Geburtstermin, am 14. Se­pte­mber, zur Welt. Es war das Fest der Kreuzerhöhung. Um sechs Uhr früh schrieb ich meinem Mann, dass Stas gleich nach der Geburt heimgegangen ist. Dank der Freundlichkeit des wunderbaren Personals, voll Empathie und Verständnis, konnten wir ein paar Stunden mit unserem Sohn verbringen. Im Kreißsaal, inmitten der Schreie gebärender Frauen und ihrer weinenden Kinder, die aus anderen Sälen zu hören waren, verabschiedeten wir uns von unserem Sohn, drückten ihn an uns, küssten ihn und weinten. Niemand trieb uns zur Eile. Das war unsere Zeit. Wir danken Gott für dieses Geschenk, für die schönsten fünf Stunden, die wir mit unserem Sohn verbringen durften.

Unser Stas hat uns mehr vermittelt, als ihr vermuten würdet, obwohl er kein einziges Wort gesagt hat und auch keinen Laut von sich gegeben hat.
Die ganze Schwangerschaft hindurch wurden wir von nahestehenden Menschen sehr unterstützt, die unsere Familie fürsorglich mit Gebet umgaben.
In den 31 Wochen mit Stas unter meinem Herzen, traf ich mich mit verschiedenen Ärzten, Hebammen und mit einem Psychologen. All diese Menschen, die mir auf meinem Weg begegnet sind, unterstützten mich und zeigten Verständnis. Drei Mal wurde ich gefragt, ob ich „die Schwangerschaft beenden“ möchte, aber niemand drängte mich dazu. Meine Ärztin versicherte mir, dass sie mich, unabhängig davon welche Entscheidung ich treffen würde, unterstützen wird. Man schaute nicht mitleidsvoll auf mich, weil ich mit „einem Kind mit Gendefekten“ schwanger war. Unser Stas bewegte die Herzen! Ich werde niemals den Anblick der verhaltenen Tränen der Hebamme vergessen, als das Herz von Stas aufhörte zu schlagen. Dabei hatte sie während ihrer Arbeit nicht ein gesundes Kind „verloren“, sondern eines mit vielen Gendefekten. Sie wusste genau, dass das wahrscheinlich so ausgehen würde. Manchmal hatte ich den Eindruck, mir wären auf meinem Weg Engel begegnet, nicht gewöhnliche Menschen. Das Ausmaß an Güte, das wir in diesen Monaten erfuhren, kennt nur Gott. Stas – unser „großer“ kleiner Held – bewirkte so viel Gutes in unserem Leben und im Leben anderer Menschen, ohne etwas zu tun. Er war einfach nur da.

Wir danken Gott für das wunderbare Krankenhauspersonal. Wir danken den Priestern – die derzeit so angegriffen werden und denen so viel Aggression entgegengebracht wird – wird danken für die Pfarrer unserer Gemeinde in Posen (den vorherigen und den jetzigen); für die Priester Jacek und Christoph, die uns bei der Beerdigung unseres Kindes halfen, die für uns gebetet haben und die gemeinsam mit uns unseren Sohn an seine letzte Ruhestätte begleitet haben.

Wir waren immer der Meinung, dass das Leben vom Augenblick der Empfängnis an beschützt werden sollte. Dank unserer eigenen Erfahrungen haben wir noch besser verstanden, warum es so sein sollte. Trotz des großen Schmerzes, der uns die ganze Zeit über begleitete und immer noch begleitet, sind wir glücklich, dass Gott uns den kleinen Stas geschenkt hat – unseren Fürsprecher im Himmel.

Katharina und Damian