Eine Liebe, die stärker ist als die Angst

Christen moslemischer Herkunft sind nicht nur in ihrem Heimatland, sondern auch in Europa schweren Verfolgungen ausgesetzt. Der letzte Bericht des Europäischen Zentrums für Recht und Gerechtigkeit (ECLJ) lässt da keine Zweifel offen. Die Situation ist in Frankreich besonders ernst. 

In Frankreich leben schätzungsweise dreißigtausend Islamkonvertiten, die ihre Herkunftsreligion aufgegeben haben und dadurch ihr Leben riskieren und gesellschaftlicher Isolation ausgesetzt sind. Das sind circa 0,5 % der 6,1 Millionen Moslems, die dieses Land bevölkern (das entspricht 9 % der französischen Population). Laut der französischen Bischofskonferenz empfangen indessen jährlich circa dreihundert ehemalige Anhänger von Mohammed die Taufe in der christlichen Kirche. Sie stellen 15% der Taufen im Erwachsenenalter an der Seine dar. Diese Zahl steigt kontinuierlich.  

„Diese Menschen werden nicht nur von ihren Familien verfolgt, sondern auch von der ganzen Gemeinschaft“ – sagt Maria, eine neue Christin, die den Islam verlassen hat. „Es kommt vor, dass es Menschen gibt, die wir überhaupt nicht kennen, die jedoch über uns Bescheid wissen. Konvertiten sind verbaler, physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Die geschieht auf allen Ebenen. (…) Die meisten von uns leben im Verborgenen und führen ein Doppelleben“.  

Mehdi Emmanuel Djaadi ist ein professioneller Schauspieler und Produzent, der sich in der Ismérie Mission engagiert, die auf drei Ebenen wirkt: Sie nimmt Konvertiten auf und begleitet sie; formt sie; verkündet Muslimen das Evangelium. Die Anhänger des Mohammed, die sich vom Islam zum Christentum bekehrt haben, treffen auf großes Unverständnis in ihren Familien. In den meisten muslimischen Ländern ist Abtrünnigkeit illegal und in einigen Ländern wird sie sogar mit dem Tode bestraft. Zudem wird die Konvertierung durch die Familie als Verlust der Ehre angesehen. „Meine Familie weiß nichts über meinen neuen Glauben“ – sagt Mehdi. „Ich denke, dass es zurzeit das Beste ist, ich lebe im Verborgenen. Alles ist verborgen. Meine Devotionalien sind bei Freunden. Ich lebe so wie gestern – so wie mit meinem alten Glauben“.  

Eine ehrenhafte Ausnahme

Ali Cheknoun, geboren 1974 in der Nähe von Tizi Ouzou in Kabylen (Algerien), wurde als Muslim erzogen, war jedoch erschüttert von der Präsenz der Gewalt in zahlreichen Versen des Korans, wie auch im islamischen Terrorismus, und bezeichnete sich schon im Alter von zwanzig Jahren als Atheist. Alles veränderte sich am 1. Mai 1999. Auf Einladung seines Cousins ging Ali an diesem Tag in die unterirdische evangelische Kirche im Herzen eines kabylischen Dorfes hinein. „Dort sprach Jesus zu mir und sagte, dass Er mich immer beschützt und geliebt hat. Ich habe mich so sehr geliebt gefühlt wie niemals zuvor. Ich habe zehn Minuten lang vor Freude geweint – erinnert er sich. Nach seiner Bekehrung ließ Ali sich bei den evangelischen Christen taufen. Sein Vater akzeptierte die Konvertierung seines Sohnes und mit ihm zusammen ebenfalls seine sechs Geschwister. „Das ist eine Ausnahme – sagt Ali.“Diese Toleranz ist die Gnade Gottes. Ich kenne Konvertiten in Algerien, die aus ihren Häusern geworfen wurden! Seit seiner Bekehrung drohen Islamisten ihm und seiner Familie mit dem Tod. Im Jahr 2006 verließ Ali Algerien und fuhr nach Belgien. Dort trat er in Verbindung mit der Gemeinschaft der Seligpreisungen und erhielt die belgische Staatsangehörigkeit. Im Juni 2007 entschied er sich, katholisch zu werden und den Namen Paul-Élie anzunehmen. Kurz darauf schloss er sich einer neuen Gemeinschaft an – der Missionsbruderschaft von Papst Johannes Paul II (FMJP2), deren Berufung die Evangelisierung ist, insbesondere die Evangelisierung von Jugendlichen und Muslimen. Paul-Élie begann eine Ausbildung im geistlichen Priesterseminar in La Castille (Frankreich). Am 26. Juni 2016, am Tag der Priesterweihe, übergab Paul-Élies Vater ihm feierlich die Priesterkleider. „Die Liebe Jesu Christi verändert meine ganze Familie“, – bekennt der Konvertit. 

Auf Bitte des Bischofs reist der Priester Paul-Élie alle paar Monate nach Algerien. Paul-Élie ist einer von wenigen, der die Messe in kabylischer und arabischer Sprache hält. Mit Bedacht begleitet er die Neu-Bekehrten: „Algerien ist ein Land der Geheimpolizei – bekennt er. „Ich trage hier öffentlich weder ein Kreuz noch eine Soutane. Solange ich im Stillen wirke, werde ich toleriert. Einige Menschen können sogar den Anblick eines Kreuzes nicht ertragen

 „Nur Muslime kommen in den Himmel”

Djamila wurde in einer praktizierenden muslimischen Familie in Algerien geboren. „Als ich neun Jahre alt war, bin ich mit meinen Eltern und drei jüngeren Brüdern nach Frankreich umgezogen – erinnert sie sich. „Zusammen mit meinen Brüdern bin ich in die Moschee gegangen, um den Koran auswendig zu lernen. Dort habe ich erfahren, dass nur Muslime in den Himmel kommen. Juden, Christen und der ganze Rest kommen in die Hölle. Unsere christlichen Nachbarn haben uns damals dabei geholfen, Französisch zu lernen und uns in Frankreich zu akklimatisieren. Irgendwann habe ich mir gedacht, wie ist es möglich, dass Menschen, die wir als verdammt ansehen, gar nicht böse sind? Sogar ganz im Gegenteil, sie waren hilfsbereit. Als ich vierzehn Jahre alt war, sind wir in die Bretagne umgezogen, da die Fabrik, in der mein Vater arbeitete, Konkurs angemeldet hatte. In dem Gebäude, in dem wir wohnten, lebten auch Nonnen. Eines Tages kam eine der Schwestern und überreichte meinem Vater einen Briefumschlag, in dem sich Geld befand. Sie sagte, dass Sie wüsste, dass mein Vater arbeitslos ist. Sie wollte uns auf diese Art und Weise helfen. Ich dachte, ich träume und dass es unmöglich ist, dass Menschen, die in die Hölle gehen, zu solchen großzügigen Gesten im Stande sind. Ich dachte mir, dass Gott sehr ungerecht ist, da er gute Menschen in die Hölle schickt.

Im Alter von zwanzig Jahren heiratete Djamila einen Muslim aus Ägypten. Schon damals hatte sie viele Fragen und Zweifel bezüglich des Islams. Sie dachte, dass ihr Mann ihr dabei helfen würde, alles zu lösen. Doch sie hat sich geirrt. Von der Bibel wusste sie nur, dass dies ein Buch ist, welches Moslems nicht lesen sollten, da sie gefälscht sei. Nichtsdestotrotz hat sie sich dazu entschieden, sich ohne das Wissen ihres Ehemannes heimlich in die Bibel zu vertiefen. Sie hoffte, darin die Antworten auf die Fragen zu finden, die sie so sehr beunruhigten. 

„Nach einiger Zeit ist mir bewusst geworden, dass dieses Buch sehr tiefgründig ist, – anders als alles, was ich bisher gelesen hatte. Ich habe weiterhin den Koran rezitiert, hatte aber das Gefühl, dass Gott durch die Bibel zu mir spricht. Also habe ich in der Bibel weitergelesen. Eines Tages hat mein Mann die Bibel gefunden. Er war schockiert. Er sagte, dass ich einen Fluch nach Hause gebracht hätte. Unsere Beziehung begann in die Brüche zu gehen – und letztendlich haben wir uns scheiden lassen.

„Die Tiefgründigkeit und Sanftmut Seines Blickes“

Geschieden und des Kontaktes mit ihren Kindern beraubt, die der Vater ihr weggenommen hatte (kraft des islamischen Rechts – Anm. B.G.), begann Djamila ihr Studium am Institut der Arabischen Welt. Sie studierte anderthalb Jahre. „Irgendwann habe ich mir gesagt: Jetzt reicht es, ich kann das nicht mehr fortsetzten. Wenn der Islam nicht die Wahrheit ist, was ich schließlich entdeckt habe, wohin soll ich dann gehen? Ich fühle eine Blockade gegenüber dem christlichen Glauben. In dieser Zeit lernte Djamila Mikel, einen Christen, kennen, den sie heiratete. Kurz nach der Hochzeit bekam Djamila gesundheitliche Probleme. Es zeigte sich, dass sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Dann passierte etwas Außergewöhnliches. „Ich träumte, erinnert sich Djamila, „dass ich mich in einer Kathedrale mit wunderschönen Buntglasfenstern befinde. Einige Tage nach diesem Traum fuhren wir mit Mikel für das Wochenende nach Köln. Ich stand vor einer riesigen Kathedrale und fühlte, dass ich unbedingt hinein gehen muss. Dort sah ich die Buntglasfenster aus meinem Traum! Ich hatte ein seltsames Gefühl. Dort befand sich auch ein großes, hölzernes Kreuz. Da erinnerte ich mich an das Wort der Bibel: Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde ich es tun (vgl.Joh. 14,14:16,23). Flüsternd habe ich ein Gebet gesprochen: Jesus, Du hast gesagt: ‘Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde ich es tun’. Ich wünsche mir ein Kind, ich möchte mich aber keiner Therapie unterziehen. Erhöre mich. Wenn Du mich erhörst, werde ich Dir nachfolgen und die Taufe annehmen«. Ich fühlte, dass mich Frieden und Glück erfüllte. Nach ungefähr einem Monat ging ich in die Apotheke und kaufte einen Schwangerschaftstest, welcher positiv ausfiel! Ich stürzte auf die Knie und weinte. Im vierten Schwangerschaftsmonat besuchte mich Jesus in einem Traum. Er erschien in einem großen Raum und schaute mich an mit Augen, deren Schönheit ich nicht im Stande bin zu beschreiben. Die Tiefgründigkeit und Sanftmut seines Blickes fesselten mich. Er sagte zu mir:  »Ich freue mich, dass du ein Kind bekommst«. Nur das sagte Er und nichts weiter. Im Traum habe ich Jesus umarmt und meinen Kopf an sein Herz gelegt. Ich fühlte, dass Er bei mir ist und ein Meer der Liebe erfüllte mich. Als ich erwachte, lag ich im Bett, durchnässt von Tränen. Dies waren Tränen des Glücks und der Trauer. Es sind nun schon zehn Jahre vergangen und ich fühle immer noch diese Emotionen. Das war das wichtigste Erlebnis meines Lebens.“

Djamila hat sich vor zehn Jahren taufen lassen und teilt nun ihren Glauben an Jesus auf den Straßen ihrer Stadt. „Meine Eltern haben sehr negativ reagiert, als ich die Evangelisierung auf den Straßen begann. Wiederholt sagten sie mir, dass ich mein Leben riskiere und dass ich ernsthafte Probleme bekommen kann. Ich bin mir dessen bewusst. Ein Fanatiker sagte mir einmal: »Wenn du auf islamischer Erde wärest, würde ich dich töten«… Ich bin aber glücklich, dass ich den Vater getroffen habe, der mich mit unendlicher Liebe beschenkt hat. Er hat mich wahrhaftig befreit. Ich habe keine Angst vor dem Tod und möchte, dass alle diese Freiheit und dieses Glück erfahren“. 

Lasst uns evangelisieren!

Der seliggesprochene Charles de Foucauld war davon überzeugt, dass, wenn es Europa nicht gelingt, Nordafrika zu evangelisieren, der Islam Europa erobern wird. Der bekannte Eremit behauptete auch, dass der Islam die gefährlichste Ketzerei ist da er Jesus alle Titel und Attribute zuschreibt – er erkennt ihn als Prophet und Wundertäter an – mit Ausnahme derer, die zur Erlösung unbedingt notwendig sind: die Anerkennung Jesu als Sohn Gottes, Herrn und Erlöser.

Wir können mit unseren eigenen Augen sehen, dass sich der Islam in Europa immer schneller ausbreitet, hauptsächlich durch den natürlichen Zuwachs der dort wohnenden Muslime. Wenn wir nicht selbst anfangen, das Evangelium mit unseren Worten und Taten zu verkünden, vom wem werden dann unsere Bekannten und Nachbarn die Botschaft der Erlösung hören? Im Brief an die Römer lesen wir: Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? Darum heißt es in der Schrift: Wie willkommen sind die Füße der Freudenboten, die Gutes verkündigen! (Röm 10, 14-15)

Wir alle wurden gesandt, um das Evangelium zu verkünden und für die zu beten, die Jesus Christus noch nicht kennen. Eine Kirche, die nicht missioniert, liegt im Sterben. Also lasst uns einmal darüber nachdenken, was vorteilhafter ist: Seinen Glauben im Verborgenen zu halten, wie ein Licht unter dem Scheffel, oder ihn leuchten zu lassen, wie ein Licht auf dem Leuchter, das das ganze Haus erhellt? (vgl. Mt 5,15).

Christliche Konvertiten, die den Islam verlassen haben, zahlen oft einen sehr hohen Preis dafür, dass sie Jesus nachfolgen. Die ungeheure Größe der Gottesliebe erfahrend, lassen sie sich von den Worten lenken: „Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln (Mk 8,38). Djamel, der algerischer Abstammung ist, gesteht: „In den 36 Jahren, seitdem ich Christus angenommen habe, habe ich kein einziges Mal an dieser Entscheidung gezweifelt. Selbstverständlich gab es schwierige Momente, aber Zweifel gab es nie. Heute evangelisiert er durch den Gesang und teilt seine Leidenschaft mit anderen Konvertiten. Djamel weiß, was Angst vor Ausgrenzung ist, was Ignoranz, Hochmut und Hass bedeuten. Den Worten des Priesters Guy Pagès zufolge, sind das die „vier Gefängnisse, in denen viele Muslime festsitzen“. Unsere Aufgabe ist es, uns durch diese Gefängnisse hin zu den Herzen derer, die Jesus in seiner Schafherde aufnehmen will, durchzudringen. Wenn wir dies nicht vollbringen, müssen wir uns die Frage stellen, ob wir wahre Zeugen Christi sind. Im Sakrament der Beichte sollten wir dankbar die Barmherzigkeit Gottes annehmen und in der Eucharistie die Liebe Gottes, so wie es viele muslimische Konvertiten tun, die nach der wahren Kommunion mit Gott durch Jesus Christus dürsten. 

Quellen: 

YouTube, Chrétiens ex-musulmans en France; Quand conversion = persêcution; KTOTV; Les nouveaux convertis; 

Abbé Guy Pagès, Prawdziwe oblicze islamu (dt. Das wahre Gesicht des Islams), Kraków 2020