Er hat den Lauf der Weltgeschichte verändert

Das Pontifikat des heiligen Johannes Paul II. hat den Lauf der Weltgeschichte verändert und das Bewusstsein und die Herzen von Hunderten Millionen Menschen verwandelt. Aus diesem Grund ist es eines der Wichtigsten in der über zweitausendjährigen Geschichte des Christentums.

Während des gesamten Pontifikats und insbesondere in den letzten Tagen vor dem Tod von Johannes Paul II. sowie vor und nach seiner Beerdigung, erlebten wir eine beispiellose Explosion der Liebe zur Person des verstorbenen Papstes, nicht nur unter den Katholiken, sondern auch unter den Gläubigen anderer christlicher Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, den Nichtgetauften und allen Menschen guten Willens. Nach Angaben des Heiligen Stuhls kamen vier Millionen Pilger aus der ganzen Welt nach Rom, um an der Beerdigung von Johannes Paul II. teilzunehmen. Die Ereignisse rund um die Krankheit, den Tod und die Beerdigung des Papstes wurden von sechstausend akkreditierten Journalisten übermittelt. Die Trauerfeierlichkeiten wurden von 137 Fernsehsendern aus 81 Ländern übertragen, aber die Zahl war sicherlich deutlich höher, da viele Medien nicht registriert waren. Delegationen mit Präsidenten und Regierungschefs aus 180 Ländern sowie Delegationen verschiedener christlicher Kirchen, kirchlicher Gemeinschaften und nichtchristlicher Religionen nahmen an der Beerdigung teil.

Unter Berufung auf Daten der italienischen Sicherheitsbehörden teilte der Heilige Stuhl mit, dass während der Aufbahrung des Leichnams von Johannes Paul II. im Petersdom vom 4. bis 7. April jede Minute etwa 350 Personen, also stündlich 21.000 Pilger, den Dom betraten. Um den verstorbenen Papst wenigstens für ein paar Sekunden zu sehen und ihm die letzte Ehre zu erweisen, musste man sich in eine 5 km lange Schlange einreihen, was durchschnittlich 18 bis 24 Stunden Wartezeit bedeutete. Es wurden insgesamt 29 Großbildschirme an verschiedenen Orten in Rom aufgestellt, um all jenen, die nicht auf den Petersplatz und die Via della Conciliazione gelangen konnten, die Möglichkeit zu geben, an der Begräbnisliturgie teilzunehmen.

Während des Todeskampfes, des Sterbens und des Begräbnisses wurden wir Zeugen einer großen Manifestation von Respekt, Zuneigung und Liebe zu Johannes Paul II. in einem Ausmaß, das es in der Menschheitsgeschichte bisher nicht gegeben hatte. Während des Todeskampfes des Heiligen Vaters versammelten sich mehrere tausend, zumeist junger, Menschen auf dem Petersplatz, um den sterbenden Papst Tag und Nacht im gemeinsamen Gebet geistig zu begleiten. Am Samstag, dem 2. April, dem Vorabend des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit, flüsterte der Heilige Vater um 21.37 Uhr „Amen“ und ging nach Hause zum Vater. Zu diesem Zeitpunkt beteten etwa 100.000 Gläubige auf dem Petersplatz den Rosenkranz. Die Nachricht vom Tod Johannes Pauls II. wurde den Versammelten von Erzbischof Leo-Nardo Sandri überbracht. Nach einem kurzen Beifall knieten alle nieder, und es trat eine tiefe Stille ein. Dann wurde das Rosenkranzgebet fortgesetzt.

Zur gleichen Zeit verharrten Hunderte von Millionen Menschen in Polen und in der ganzen Welt im Gebet. Überall herrschte eine unglaubliche Atmosphäre brüderlicher Gemeinschaft; es herrschte keine Verzweiflung, sondern Würde und tiefer Friede, der vom auferstandenen Herrn ausging. Die Menschen versammelten sich spontan auf Plätzen und in Kirchen, um eine Gebetsgemeinschaft zu bilden, das Allerheiligste Sakrament anzubeten und das Sakrament der Buße zu empfangen. Nach dem Tod des Heiligen Vaters bildeten sich lange Schlangen vor den Beichtstühlen. Es kam zu zahlreichen Bekehrungen.

Alle Berichterstatter stellten fest, dass das weltweite Interesse an der Person Johannes Pauls II. während seiner Krankheit, seines Todes und seiner Beerdigung so groß war, dass es alle bisherigen Großereignisse in der Geschichte der Menschheit bei weitem übertraf. In den 72 Stunden nach dem Tod des Heiligen Vaters gab es in den Medien zehnmal mehr Berichte darüber als im gleichen Zeitraum nach den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten. Der „Global Language Monitor“ der die Ergebnisse seiner Untersuchungen veröffentlichte, stellte fest, dass die Übertragungen aus dem Vatikan, die über die letzten Tage der Krankheit, den Tod und die Beerdigung von Johannes Paul II. berichteten, eine weitaus größere Zuschauerzahl hatten als die Berichte über so dramatische Ereignisse wie den terroristischen Angriff auf das WTC am 11. September oder die Tsunami-Katastrophe. Dies galt nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo alle Fernsehsender stundenlang über Ereignisse aus dem Vatikan berichteten, sondern auch in ganz Lateinamerika, Europa, auf den Philippinen, in Südkorea und in vielen anderen Ländern.

In dem säkularisierten Großbritannien, wo die Staatsreligion der Anglikanismus ist und in den Massenmedien nur sehr wenig Platz für Glaubensfragen eingeräumt wird, änderten die Medien nach dem Tod von Johannes Paul II. ihre Haltung völlig. Der „Daily Mirror“ widmete dem verstorbenen Papst am 4. April 2005 19 Seiten, „The Independent“ 13 Seiten und „The Times“ 11 Seiten. Andere Zeitungen und Zeitschriften sowie Fernseh- und Radiosender verfuhren ähnlich.

Grace Davie, Direktorin des Zentrums für Europäische Studien an der Universität Exeter in England, sagte, die Reaktion der Europäer auf den Tod des Papstes zeige die Zerbrechlichkeit des europäischen Säkularismus.

Sogar eine so antikatholische US-Zeitung wie die „New York Times“ räumte in einem Artikel vom 7. April ein, dass Johannes Paul II. bei jungen Menschen großen Erfolg hatte, weil er „eine ganze Generation engagierter junger römischer Katholiken hinterlassen hat, die die Kirche konservativer gestalten als ihre Eltern“.

Die Reaktion auf den Tod von Johannes Paul II. in den Massenmedien der muslimischen Länder war erstaunlich. Erzbischof Giuseppe de Andrea, der Apostolische Nuntius in Kuwait, Bahrain, Jemen und Katar und Apostolischer Delegat in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Oman war, sagte, dass die Informationen in den arabischen Medien über Johannes Paul II. während der Zeit seiner Krankheit, seines Todes und seiner Beerdigung erstaunlich schön und umfangreich waren. Die dortigen Zeitschriften widmeten der Person Johannes Paul II. Titelseiten, und Fernseh- und Radiosender berichteten ausführlich aus dem Vatikan. Alle sieben Länder der Region entsandten offizielle Regierungsdelegationen zur Beerdigung des Heiligen Vaters.

Faszination für die Heiligkeit von Johannes Paul II.

Papst Johannes Paul II. hat die Menschen in aller Welt mit seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit fasziniert. Jeder, der das Glück hatte, ihm zu begegnen, spürte selbst die Ausstrahlung von Liebe, der Heiligkeit und die Nähe zu Gott. Johannes Paul II. war ein Mann des Gebets, ein Mystiker, und deshalb konnte Jesus Christus durch ihn wirken und seine Liebe gegenwärtig machen. Das haben die Menschen intuitiv gespürt, und so gab es während der Beerdigungsmesse des Papstes spontane Rufe und Schilder: „Santo subito!“ („Sofort heilig!“). Johannes Paul II. hat den Willen Gottes bis zum Ende erfüllt. Sein ganzes Leben lang ging er mit großem Mut den Weg des Glaubens, des vollen Vertrauens in Christus durch Maria. In den letzten Jahren, Tagen und Stunden seines irdischen Lebens hat er das ansprechende und herzzerreißende „Evangelium des Leidens“ gepredigt und eine Lektion im Sterben erteilt. In seinem Testament schrieb er: „ Heute möchte ich […] nur soviel hinzufügen, daß mit der Möglichkeit des Todes ein jeder immer rechnen muß. Und daß jeder immer bereit sein muß, vor den Herrn und Richter – und gleichzeitig Erlöser und Vater – zu treten. Folglich bin auch ich mir dessen ständig bewußt, wobei ich diesen entscheidenden Augenblick der Mutter Christi und der Kirche anvertraue – der Mutter meiner Hoffnung. […]. Ich will mich noch einmal völlig dem Willen des Herrn anvertrauen. Er selbst wird entscheiden, wann und wie ich mein irdisches Leben und mein Hirtenamt beenden soll. Im Leben und im Tod Totus Tuus durch die Immaculata. Indem ich schon jetzt diesen Tod annehme, hoffe ich, daß Christus mir die Gnade jenes letzten Geleites, das heißt für [mein] Ostern, gewähren möge. Ich hoffe auch, daß er sie für jenes wichtigste Anliegen fruchtbar machen wird, dem ich zu dienen trachte: für die Rettung der Menschen, für den Schutz der Menschheitsfamilie und in ihr aller Nationen und Völker (unter denen sich das Herz ganz besonders meiner irdischen Heimat zuwendet), fruchtbar für die Menschen, denen er mich in besonderer Weise anvertraut hat – für das Anliegen der Kirche, zur Ehre Gottes selbst.“

Dieser Wunsch Johannes Pauls II., den er in seinem Testament zum Ausdruck gebracht hat, ist vollständig erfüllt worden. Sein Pontifikat und sein Tod wurden von Jesus äußerst „nützlich […] für die Rettung der Menschen“ gemacht. Wir waren Zeugen eines großen Wunders, wie die Liebe Christi unzählige Menschenmassen durch das Leiden und den Tod Johannes Pauls II. beeinflusste. Nur Gott weiß, wie viele Menschen weltweit durch dieses Ereignis die Türen ihres Herzens für Christus geöffnet haben, indem sie das Sakrament der Buße empfingen und beschlossen, Christus jeden Tag „auf dem schmalen Weg“ des Glaubens zu folgen (vgl. Mt 7,14).

In seiner Predigt bei der Beerdigung sagte Kardinal Joseph Ratzinger (der spätere Papst Benedikt XVI.), Johannes Paul II. sei „[…] Priester bis zum Äußersten gewesen, denn er hat sein Leben Gott dargebracht für seine Schafe und für die ganze Menschenfamilie durch seine tägliche Hingabe im Dienst an der Kirche und vor allem in den schweren Prüfungen der letzten Monate. So ist er eins geworden mit Christus, dem Guten Hirten, der seine Schafe liebt […].

Die Liebe Christi war die bestimmende Kraft in unserem geliebten Heiligen Vater; wer ihn hat beten sehen, wer ihn hat predigen sehen, weiß das. Und so konnte er dank dieser tiefen Verwurzelung in Christus eine Last tragen, die rein menschliche Kräfte übersteigt: Hirt der Herde Christi, seiner universalen Kirche zu sein […].

In den ersten Jahren seines Pontifikats ging der Heilige Vater, noch jung und stark, unter der Führung Christi in alle Länder der Welt. Später aber vereinte er sich immer tiefer mit dem Leiden Christi, verstand er immer mehr die Wahrheit der Worte: »Ein anderer wird dich gürten…« Und gerade in dieser Vereinigung mit dem leidenden Herrn verkündete er unermüdlich mit neuer Eindringlichkeit das Evangelium, das Geheimnis der Liebe, die bis zum Äußersten geht (vgl. Joh 13,1).

Er hat uns das österliche Geheimnis als Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit aufgezeigt. In seinem letzten Buch schreibt er: Die dem Bösen gesetzte Grenze »ist letztendlich die göttliche Barmherzigkeit« (»Erinnerung und Identität«, S. 75). Und im Hinblick auf das Attentat schreibt er: »Christus hat, indem er für uns alle litt, dem Leiden einen neuen Sinn verliehen, er hat es in eine neue Dimension erhoben, in eine neue Ordnung der Liebe … Es ist das Leiden, welches das Böse mit der Flamme der Liebe verbrennt und aufzehrt und sogar aus der Sünde einen mannigfaltigen Reichtum an Gutem hervorbringt« (S. 208f.). Von dieser Vision beseelt, hat der Papst vereint mit Christus gelitten und geliebt, und deshalb ist die Botschaft seines Leidens und seines Schweigens so beredt und fruchtbar gewesen. Göttliche Barmherzigkeit: Der Heilige Vater hat den reinsten Widerschein der Barmherzigkeit Gottes in der Mutter Gottes gefunden. Er, der im Kindesalter die Mutter verloren hatte, hat um so mehr die göttliche Mutter geliebt. Er hat die Worte des gekreuzigten Herrn gehört und auf sich persönlich bezogen: »Siehe deine Mutter!« Und er hat wie der Lieblingsjünger gehandelt: Er hat sie in seinem tiefsten Innern aufgenommen (eis ta idia: Joh 19,27)– »Totus tuus«. Und von der Mutter hat er gelernt, Christus ähnlich zu werden.

Für uns alle bleibt es unvergeßlich, wie der Heilige Vater, vom Leiden gezeichnet, am letzten Ostersonntag seines Lebens noch einmal am Fenster des Apostolischen Palastes erschienen ist und zum letzten Mal den Segen »Urbi et orbi« erteilt hat. Wir können sicher sein, daß unser geliebter Papst jetzt am Fenster des Hauses des Vaters steht, uns sieht und uns segnet. Ja, segne uns, Heiliger Vater. Wir vertrauen deine liebe Seele der Mutter Gottes, deiner Mutter, an, die dich jeden Tag geführt hat und dich jetzt in die ewige Herrlichkeit ihres Sohnes, Jesus Christus unseres Herrn, führen wird. Amen.“

Geistiges Erbe

Der heilige Johannes Paul II. hat uns ein unermessliches geistiges Erbe hinterlassen: das Vorbild eines heiligen Lebens, Leidens und Sterbens und den Schatz seiner Lehre, aufgezeichnet auf 85.000 Seiten. Der Papst behandelte jedes menschliche Wesen mit großem Respekt und bestand darauf, dass jedem Menschen das Grundrecht auf Leben, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, und das Recht auf Gewissensfreiheit garantiert werden sollte. Für ihn war jeder Mensch gleich wichtig, und aus diesem Grund sprach er nie schlecht, respektlos oder verächtlich über jemanden. Gleichzeitig verkündete der Heilige Vater furchtlos die geoffenbarte Wahrheit, ohne seinen Zuhörern zu schmeicheln oder Beifall zu suchen. Mit großem Mut übermittelte er seinen Zuhörern die unbequemsten und unpopulärsten Wahrheiten des Glaubens. Er ist gegen den Strom geschwommen, ohne Kompromisse einzugehen oder die Wahrheit Gottes zu relativieren.

Das Pontifikat von Johannes Paul II. dauerte 26 Jahre und sechs Monate. In dieser Zeit unternahm der Heilige Vater 104 Pilgerreisen in 129 Länder, 144 Reisen in Italien und besuchte 784 Pfarreien in der Diözese Rom und in Castel Gandolfo. Insgesamt legte er 1 271 000 km zurück, was 31 Erdumrundungen entspricht. Er schrieb 14 Enzykliken, 15 apostolische Ermahnungen, 11 apostolische Konstitutionen, 45 apostolische Schreiben, 30 Motu proprio und hielt unzählige Ansprachen und Predigten zu den verschiedensten Anlässen. Er hat 482 Menschen heiliggesprochen und 1338 seliggesprochen. Die Errungenschaften des Pontifikats von Johannes Paul II. sind so groß, dass sie sich nur durch seine Heiligkeit erklären lassen – seine völlige Hingabe an Christus durch Maria – Totus Tuus.