Ich nahm eine Ausgabe von „Liebt einander!“ in die Hand, ohne großartig auf das Titelbild zu schauen. Erst im Krankensaal bemerkte ich, dass auf dem Titelblatt der Zeitschrift eine lachende Mutter mit ihrer Tochter abgebildet waren, und darunter das Zitat: „Ich war mit einer Abtreibung nicht einverstanden“
Ich bin Mutter von zwei liebenswerten Mädchen: Hanna und Alexandra. Meine Töchter sind eine besondere Offenbarung der Liebe Gottes in meinem Leben. Ich habe den Eindruck, dass, als ich Alexandra empfangen habe, mein Herz sich wie nie zuvor für Gott geöffnet hat.
„Vom Mutterleib an habe ich mich auf dich gestützt“
Vor vier Jahren, als ich schwanger war, erfuhr ich, dass meine jüngste Tochter, die ich unter dem Herzen trug, ernsthaft krank war. Eine Kontrolluntersuchung brachte zutage, dass Alexandra Hirnschäden hat. Vorherige Untersuchungen waren alle in Ordnung gewesen und nichts hatte daraufhin hingewiesen, dass unser Leben sich so schnell vollkommen verändern sollte… Der Tag der Diagnose war außergewöhnlich. Damals las ich nicht täglich in der Bibel, doch kurz bevor ich in das Sprechzimmer des Arztes ging, las ich ausnahmsweise auf meinem Handy einen Vers aus der Heiligen Schrift: „Vom Mutterleib an habe ich mich auf dich gestützt“ (Ps 71,6).
An diesem Tag beging die Kirche den Geburtstag Johannes des Täufers. Als ich im Warteraum saß, dachte ich daran, wie nah mir nun diese Worte gingen und wie gut es war, dass der Herr über uns wachte.
Nur einen Augenblick später sah ich, wie das Gesicht des Arztes sich veränderte… Eine weitere Ultraschalluntersuchung zeigte, dass meine Tochter einen großen Wasserkopf hatte. Gott war der Diagnose zuvorgekommen…
Die Worte aus dem Psalm 72, die ich vorher gelesen hatte, gaben mir die Kraft, nach Hause zu kommen. Das Erste, was ich dort erblickte, war ein Bild der hl. Rita. Das Bild lag schon seit einigen Wochen bei uns in der Küche. Es war „zufälligerweise“ dorthin gelangt. Vorher kannte ich die hl. Rita jedoch gar nicht und hatte auch nicht das Gebet auf der Rückseite gelesen. Am Tag der Diagnose tat ich es zum ersten Mal und fühlte, dass die hl. Rita uns helfen würde.
Ich vertraute Alexandra Gott an
Bei weiteren Treffen machte der Arzt mir keine Hoffnungen und deutete eine Abtreibung an. So ein großer Wasserkopf in solch einer frühen Schwangerschaftsphase sollte im Endeffekt dazu führen, dass Alexandra – sofern sie überhaupt überlebte – ein körperlich und geistig schwer behindertes Kind sein würde. Ich bekam auch zu hören, dass ich mein eigenes Leben ruinieren würde, denn meine Tochter hätte nichts Gutes zu erwarten… Ich suchte nach Hilfe, doch der Arzt wehrte alles ab. Er sagte mir, das Kind würde nur ein „Kreuz“ für mich sein, und meine Hoffnung auf irgendeine Hilfe sei reine Illusion… Meine Welt brach in sich zusammen, doch trotz allem beschloss ich, Alexandra Gott zu weihen.
Schon in Kürze sollte sich zeigen, dass Gott uns seine eigenen Wege führte. Ich glaube nämlich daran, dass Gott es war, der mir half, Ärzte zu finden, die so wie ich um das Leben meiner kleinen Alexandra kämpfen wollten. Man qualifizierte uns für eine OP, die damals in Polen noch ganz neu war. Spezialisten aus Beuthen bestellten das kleinstmögliche Ventil, und brachten es in der 24. Schwangerschaftswoche bei Alexandra an. Dieses Ventil führte das überschüssige Wasser aus dem Gehirn ab. Ein paar Tage vor der OP bat ich Gott in der Krankenhauskapelle um Stärkung.
Der Priester sagte, wir sollten vor dem Verlassen der Kapelle die ausgelegten Zeitschriften mitnehmen. Ich nahm eine Ausgabe von „Liebt einander!“ in die Hand, ohne großartig auf das Titelbild zu schauen. Erst im Krankensaal bemerkte ich, dass auf dem Titelblatt der Zeitschrift eine lachende Mutter mit ihrer Tochter abgebildet waren; und darunter das Zitat: „Ich war mit einer Abtreibung nicht einverstanden.“ Innen war ein Artikel – die Geschichte einer Mutter und ihrer Tochter, die, genau wie meine Tochter, Alexandra hieß. Das war unglaublich! In der Ausgabe war auch ein Text über den hl. Scharbel.
Als ich ihn durchgelesen hatte, war ich der festen Überzeugung, dass dieser Heilige uns helfen würde. Es war ein seltsames Gefühl, das den ganzen Tag über präsent blieb. Ich hatte bisher gedacht, dass die Fürsprache der hl. Rita genügen würde. Abends rief mich unerwartet eine Bekannte an und schlug vor, mir das Öl des hl. Scharbel zu bringen. Sie fing an mit den Worten: „Weißt du, es gibt da so einen Heiligen …“, aber da wusste ich schon, von wem sie sprach. Von da an begann ich auch, den hl. Scharbel um seine Fürsprache zu bitten. Ich fühlte innerlich, dass alles gut ausgehen würde, dass der Herr mit uns war … Nach der OP sah man auf dem Ultraschall bereits das Gehirn unserer Alexandra, und so dachte ich, das Schlimmste überstanden zu haben…
Ein Weihnachtswunder
Alexandra kam in der 30. Schwangerschaftswoche um 15:04 Uhr zur Welt. Ein Wunder des Lebens. Sie war sehr klein, aber kämpferisch. An diesem Tag feierte man den 80. Jahrestag der Verkündigung des Barmherzigkeitsrosenkranzes. Meine Tochter wurde in eine Spezialklinik in Kattowitz gebracht. Dort stellte sich heraus, dass Alexandra außer dem Wasserkopf auch noch andere Entwicklungsfehler im Gehirn hatte, die ebenfalls bewirken konnten, dass sie ein geistig und körperlich behindertes Kind sein würde. Die Entwicklung unserer Tochter war für uns alle sehr ungewiss. Das Schlimmste stand uns noch bevor… Alexandra verbrachte die ersten Monate ihres Lebens im Krankenhaus, wo sie sich weiteren chirurgischen Eingriffen unterziehen musste. Als wir unser Kind endlich nach Hause nehmen konnten, stellte sich nach zwei Wochen heraus, dass alle Ventile bei unserem Kind von Bakterien befallen waren. Es erwarteten uns weitere Wochen im Krankenhaus und die nächsten chirurgischen Eingriffe…
Ich schaute auf die Schmerzen meines Kindes und dachte, mein Herz würde vor Leid zerspringen. Das war eine unvorstellbar schwere Erfahrung für mich… Die Antibiotika wurden intravenös verabreicht. Jeder weitere Einstich bewirkte, dass meine Tochter Angst vor Berührung hatte. Weihnachten rückte näher, und ich stritt mit Gott. Ich bat Ihn, Er möge Alexandra zu sich nehmen, wenn ihr Leben nur aus Angst und Schmerz bestehen sollte…
Der Arzt sagte uns, dass Alexandra wahrscheinlich auch noch eine Blutvergiftung bevorstehen würde, was lebensbedrohlich war. Am 19. Dezember empfing unsere Tochter Alexandra Katharina im Krankenhaus die heilige Taufe und fünf Tage später, am Heiligabend, wurde sie nach Hause entlassen. Ihr Gesundheitszustand und die Untersuchungsergebnisse hatten sich schrittweise verbessert. Das war unser Weihnachtswunder…
„Scharbel war da“
Es sind nun schon vier Jahre vergangen, in denen wir um das Leben und die Gesundheit unserer Tochter kämpfen. Wir habe viele Aufenthalte im Krankenhaus und in der Reha hinter uns. Doch entgegen dem, was uns die Ärzte prophezeit hatten, spricht Alexandra, hat ein sehr gutes Gedächtnis und ist ein sehr fröhliches Kind. Jeden Tag lacht sie und singt Lieder, auch auf Englisch. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie glücklich ist. Sie erträgt tapfer ihre Krankheiten und Einschränkungen, auch die intellektuellen. Während ich sie dabei begleite, bemerke ich, wie nahe sie Gott steht. Sie macht den Eindruck, als ob sie mehr sehen und wissen würde als wir.
Als unsere Tochter zwei Jahre alt war, lobte sie Gott vom Krankenhausbett aus. Sie schaute aufs Fenster und fing an zu singen und in die Hände zu klatschen. Als sie fertig war, sagte sie: „Amen.“ Ich hörte auch, wie sie in der Krankenhauskapelle auf den Altar schaute und sagte: „Danke, Papa!“ Sie war damals noch keine drei Jahre alt… Solche Situationen sprengten meine bisherigen Glaubenserfahrungen. Eines Tages las ich Alexandra in der Abteilung für Neurochirurgie ein Buch vor, als sie plötzlich sagte: „Scharbel war da.“ Sie sagte es zwei Mal, und zwar sehr deutlich, obwohl sie damals noch das „r“ nicht aussprechen konnte. Eine ähnliche Situation ereignete sich auch später zuhause. Ich war erstaunt. Ich hatte Alexandra nichts über diesen heiligen Einsiedler aus dem Libanon erzählt, der plötzlich in meinem Leben aufgetaucht war, als ich schwanger gewesen war. Ich habe auch kein Bild des hl. Scharbel in meiner Wohnung. Ungläubig fragte ich Alexandra,
ob dieser Heilige einen Bart hat. Alexandra freute sich und antwortete: „Ja – und er hat mich gestreichelt!“ Dann fügte sie noch hinzu, der hl. Scharbel würde sie liebhaben. Ohne zu überlegen, erkannte sie das Antlitz des Heiligen auf einem Bild, das ich ihr später zeigte. Ein anderes Mal erzählte sie, dass „der hl. Scharbel wunderschön riecht“.
Der Herr hat mir meine Lebensfreude wiedergeschenkt
Die Jahre nach der Diagnose waren die schwersten in meinem Leben. Die Krankheiten und die Behinderungen meiner Tochter sind mit verschiedenen Einschränkungen und Ungewissheiten verbunden. Doch ist dies für mich auch eine Zeit der besonderen Nähe Gottes. Ich bekehre mich immer wieder. Durch diese schwierige Erfahrung lehrt Gott mich, zu vertrauen, Geduld zu üben und demütig zu sein. Gott hat mich auch von den vergangenen schmerzhaften Ereignissen geheilt. Eines Tages erhielt ich nach einem Lobpreisabend das folgende Wort: „Ich habe dein Gebet gehört, ich habe deine Tränen gesehen“ (Jesaja 38,5). Am nächsten Morgen war es das erste Mal, dass ich Gott nicht um Kraft bitten musste.
Gott hat mir meine Lebensfreude wiedergeschenkt. Ich weiß, dass Er mich auf seinen Wegen führt, dass Er uns segnet. Jeden Tag erfahre ich sehr viel Liebe und bin dankbar dafür. Der Herr verwandelt mein Herz. Ich freue mich, dass ich ein Teil der Heiligen Kirche sein darf. Ich freue mich über den Umgang mit Heiligen. Die letzten Jahre haben mich sehr verändert. Heute bin ich trotz aller Schwierigkeiten und Mühen eine glückliche Mutter zweier ungewöhnlicher Töchter. Ich bin eine glückliche Tochter Gottes des Vaters.
Paulina L.
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