Misstrauen – um nicht zu sagen Hass – gegenüber der westlichen Zivilisation begleitet das marxistische Denken und seine neuen Abwandlungen von Anfang an in Form verschiedener Varianten des Neomarxismus.
Die Kirche mit Liebe zum Westen
Benedikt XVI. erinnerte daran, dass die sogenannte europäische (westliche, lateinische) Zivilisation die Frucht ist, aus dem Zusammentreffen von
– Jerusalem – dem alttestamentlichen Glauben an den einen Gott –,
– Athen – dem Erbe des klassischen (antiken) Griechentums – und
– Rom – der Rechtstradition, die durch die in der Ewigen Stadt entwickelte Rechtsprechung begründet wurde.
Der heilige Johannes Paul II. betonte in der Enzyklika Fides et ratio (1998): „Wenn die Kirche mit großen Kulturen in Kontakt tritt, mit denen sie vorher noch nicht in Berührung gekommen war, darf sie sich nicht von dem trennen, was sie sich durch die Inkulturation ins griechisch-lateinische Denken angeeignet hat. Der Verzicht auf ein solches Erbe würde dem Vorsehungsplan Gottes zuwiderlaufen, der seine Kirche die Straßen der Zeit und der Geschichte entlangführt“ (FR 72).
Zu diesen Äußerungen des Nachfolgers Petri sind die Worte des polnischen Primas, Kardinal Stefan Wyszyński hinzuzufügen, der betonte, dass Polen, dank der Verbindung der Kirche mit dem christlichen Westen, eine europäische Nation wurde und es bis heute geblieben ist – entgegen der Propaganda des marxistischen Regimes (der Marxismus war die Ideologie der in der Volksrepublik Polen herrschenden Kommunisten), die verkündete, dass der einzige Segen für Polen aus dem Osten käme („ewige Freundschaft mit der Sowjetunion“). Kardinal Wyszynski erklärte: „Ungeachtet des Wandels der Zeiten, der zunehmenden interkontinentalen Kontakte und des wachsenden Bewusstseins für die Gemeinschaft der internationalen Familie, wird Polen eine europäische Nation bleiben, geprägt von der westlateinischen Kultur, aufgrund ihrer Verbindung zu den Elementen der lateinisch-römischen Kultur, in die sie durch die Taufe eingeführt wurde“ (Lublin, 23. August 1966).
Die zitierten Aussagen zeigen eine klare abendländische (pro-westliche) Haltung der Kirche. Das ist ganz natürlich, denn die Zivilisation, die wir westliche (europäische) Zivilisation nennen, entstand als „Nebenprodukt“ ihrer Evangelisierungsarbeit. Die Kirche hat in ihren Schriften und in ihrer Lehre das Erbe des antiken griechischen Denkens und des römischen Rechts bewahrt.
Neomarxismus: Der Westen auf der Anklagebank
Misstrauen – um nicht zu sagen Hass – gegenüber der westlichen Zivilisation, begleitet das marxistische Denken und seine neuen Abwandlungen von Anfang an in Form verschiedener Varianten des Neomarxismus.
Man denke nur an die Bewegung gegen die Grundsätze der westlichen Zivilisation an den amerikanischen und westeuropäischen Universitäten, die sich nach der „1968er-Revolution“ auf beiden Seiten des Atlantiks mit voller Wucht ausbreitete, die wiederum aus dem intellektuellen Erbe der von Marx geprägten „Frankfurter Schule“ erwuchs.
Seit den 1980er Jahren gediehen „afrozentrische“ Studiengänge, künstlich gefördert durch politische Entscheidungen unter dem Einfluss der sich immer weiter ausbreitenden linken „political correctness“, in denen argumentiert wird, dass das griechische und römische geistige Erbe entweder wertlos oder sogar schädlich sei („Gewöhnung an die Gewalt des weißen Mannes gegen andere“) oder von anderen Zivilisationen gestohlen wurde (so gibt es beispielsweise „Gelehrte“, die ernsthaft behaupteten, die Griechen hätten ihre Philosophie von den alten Ägyptern „gestohlen“).
Mit solchen neomarxistischen Geschichtskursen, die an den renommiertesten Universitäten angeboten wurden, sind die Eltern der jungen Leute aufgewachsen, die sich im Sommer 2020 in neomarxistisch geführten BLM-Milizen (Black Lives Matter) versammelten oder, von diesen angestiftet, auf amerikanischen Straßen Denkmäler von Menschen zerstörten, deren einziger „Fehler“ darin bestand, zu eng mit der westlichen Zivilisation verbunden gewesen zu sein. Schließlich wurden nicht nur Denkmäler von Generälen der konföderierten Armee (des Südens, der in den Jahren des Bürgerkriegs 1862-1865 gegen die Union kämpfte) gestürmt, sondern auch die von christlichen Missionaren (wie dem kalifornischen Evangelisten St. Juniper Sierra aus dem 18. Jahrhundert) oder von mittelalterlichen europäischen Herrschern (wie dem französischen König Ludwig IX. aus dem 13. Jahrhundert). Zu dieser Gruppe gehörte sogar der gute alte Tadeusz Kościuszko – der ebenfalls als „zu westlich“ eingestuft wurde.
Die christliche Familie – Feind Nummer eins
Wollte man den tiefsten Grund für diese marxistische und neomarxistische Ablehnung der westlichen Zivilisation benennen, so wären es ihre christlichen Wurzeln. Das ist es, was die Anhänger von Karl Marx, Antoni Gramsci und Herbert Marcus am meisten stört, was sie am stärksten plagt. Mit diesem Ansatz fanden und finden sie Verbündete unter denjenigen, die zwar nicht strikt dem Marxismus (oder seinen nachfolgenden Varianten) anhängen, aber den Tod Gottes verkünden – wie Friedrich Nietzsche oder die Autoren der „neuen Moral“, die von der Psychoanalyse Sigmund Freuds inspiriert wurde. Die Melange aus Marx, Engels, Nietzsche und Freud bildete den Kern des Programms der „Revolution von 1968“, die als „sexuelle Revolution“ in die Geschichte einging. Sie zielte auf die Zerstörung der Familie ab, die als dauerhafte, auf Fortpflanzung und Kindererziehung ausgerichtete Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau verstanden wurde.
Der „Fahrplan“ für den Angriff auf die Familie wurde von Friedrich Engels in seinem 1865 erschienenen Buch Über den Ursprung der Familie, des Eigentums und des Staates dargelegt.
Es enthielt die für alle Spielarten des marxistischen Denkens vom 19. bis zum 21. Jahrhundert verbindliche These, dass die Familie ein Ort der Gewalt und Ausbeutung sei. Unter diesem Gesichtspunkt war die Familie nicht mehr ein Umfeld, das der umfassenden menschlichen Entwicklung grundsätzlich förderlich war und sich durch Intimität und Liebe auszeichnete, sondern ein Ort, an dem ständiger Antagonismus herrschte. Es geht um Macht. Dieser Kampf wird von Frauen ausgetragen, die auf diese Weise – wie Engels argumentierte – doppelt benutzt werden: als billige Arbeitskräfte für die Fabrikbesitzer und als Objekt zur Befriedigung der sexuellen Begierde ihrer Ehemänner. Die soziale Befreiung – so Engels weiter – muss daher mit der Familie beginnen, d.h. mit ihrer vollständigen Auflösung.
Je mehr Promiskuität (sexuelle Freizügigkeit), desto mehr Fortschritt
Sigmund Freud und seine Theorie der Psychoanalyse lieferte eine „wissenschaftliche“ Grundlage für diese Annahmen. Neben Charles Darwins Evolutionstheorie wurde die Psychoanalyse an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zur populärsten geistigen Strömung auf dem Alten Kontinent. Wie einer von Freuds Biographen bemerkt: „Obwohl Darwins Ideen gefährliche und beunruhigende Schlussfolgerungen hatten, waren sie nicht so direkt verheerend, so obszön wie Freuds Ansichten zum Thema kindliche Sexualität, allgegenwärtige Perversion und Macht der unbewussten Triebe“ (S. Gay).
Es heißt, Freud habe „die westliche Zivilisation auf die Couch gelegt“, und aus dieser „Untersuchung“ ging hervor, dass der Westen, verstanden als eine bestimmte Kulturgemeinschaft, nichts anderes ist, als ein über Jahrhunderte konstruierter, ausgeklügelter Mechanismus zur Unterdrückung der einzigen wirklich vitalen Kraft einzelner Menschen und ganzer Gesellschaften – des Sexualtriebs. Man kann sagen, dass der österreichische Psychiater auf diese Weise voll und ganz aus dem Erbe der deutschen Philosophie schöpfte. Ähnlich dachten Arthur Schopenhauer oder Friedrich Nietzsche, ein Verfechter des atheistischen Vitalismus, über die „kulturschaffende“ Rolle des Sex. Letzterer behauptete, dass der „Übermensch“, dessen Kommen die totale Zerstörung des Christentums einläuten wird (was sich Nietzsche am meisten wünschte), selbst entscheiden wird, was gut und was böse ist – auch in Bezug auf die Sexualmoral.
Das Denken des Begründers der Psychoanalyse ging in eine ähnliche Richtung. Wenn die Kultur des Westens aus dem Christentum hervorgegangen ist, und zwar dank der jahrhundertelangen zivilisatorischen Arbeit der katholischen Kirche, dann ist die eigentliche Quelle der Unterdrückung des sexuellen Begehrens – einer Kraft, die durchaus gut ist und keiner moralischen Bewertung unterliegt – eben die christliche Religion. Fügt man diese Ansichten den Schlussfolgerungen von Engels hinzu, so ergibt sich eine Mischung, die den Motor der „sexuellen Revolution“ darstellt.
Symbiose von Marx und Freud
Freud selbst hatte den Ehrgeiz, nicht nur in die Tiefen der Träume seiner Patienten einzudringen (heute wissen wir, dass die „Ergebnisse“, zu denen Freud kam, in vielen Fällen schlichtweg gefälscht waren), sondern auch umfassendere kulturelle Veränderungen herbeizuführen, die das gesamte gesellschaftliche Leben betrafen. 1915 schrieb er: „Die [aus dem Christentum stammende – Anm. von G. K.] Sexualethik erscheint mir verachtenswert. Ich bin für ein unvergleichlich freieres Sexualleben“.
Im Kreis der „Frankfurter Schule“ beschäftigte sich Erich Fromm intensiv mit der „Verbindung von Marx und Freud“ (S. Watson). Auf den Seiten seines berühmtesten Buches „Flucht aus der Freiheit“, das 1941 erstmals in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde, analysierte er die Geschichte der Menschheit anhand der aufeinanderfolgenden Phasen der „Unterdrückung sexueller Erfahrungen“, die einen entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung eines spezifischen „sozialen Charakters“ im Westen gehabt haben sollen. Ihr abstoßendstes Merkmal – so argumentiert E. Fromm in seinem Bestseller – ist die Herausbildung einer „sadomasochistischen, autoritären Persönlichkeit“ (als Ergebnis der erwähnten „Verdrängung“).
Andere neomarxistische Sozialphilosophen, die der gleichen „Frankfurter Schule“ entstammen, machen vor allem die Familie, die auf einer stabilen Beziehung zwischen Mann und Frau und einer klar definierten Präsenz des Vaters in der Kindererziehung beruht, für die Entwicklung dieser dysfunktionalen Persönlichkeit verantwortlich. Dies ist die Hauptthese des 1950 erschienenen Buches Die autoritäre Persönlichkeit von Theodor Adorno, einem der wichtigsten Vertreter der „Frankfurter Schule“. In kurzer Zeit wurde dieses Buch auch auf dem amerikanischen Markt ein Bestseller. Adorno überzeugte seine Leser davon, dass das Bedrohlichste in den ersten Jahren des Kalten Krieges nicht der Kommunismus, sondern… der Faschismus war. Der Faschismus findet seinen besten Nährboden in Familien, in denen der Vater ständig präsent ist und sich an der Erziehung seiner Kinder beteiligt.
Täuschung als Wissenschaft getarnt
Adornos Argumente wurden durch die „Berichte“ von Alfred Kinsey gestützt.
Seit den 1930er Jahren hatte er an der Indiana State University das Sexualverhalten der Amerikaner erforscht. In den Jahren 1948 und 1953 veröffentlichte Kinsey seine berühmtesten „Berichte“ aus dieser Forschung mit den Titeln Sexual Behavior of Men und Sexual Behavior of Women. Ihre Hauptthese war, dass alle Arten von sexuellen Perversionen „normal“ sind, was durch die Tatsache bewiesen wird, dass sie von einem großen Prozentsatz der Amerikaner praktiziert werden.
Es ist seit langem bekannt, dass es sich bei den „Kinsey-Berichten“ um reine Schwindeleien handelt, die nichts mit zuverlässiger Methodik und wissenschaftlicher Arbeit zu tun haben. Es genügt zu sagen, dass die „repräsentative Forschungsstichprobe“, auf die Kinsey die Ergebnisse seiner Berichte stützte, vor allem Häftlinge waren, die wegen Sexualverbrechen, die sie begangen hatten, hinter Gittern saßen. Ein weiterer Betrüger, der mit der „Freisetzung von durch eine repressive Kultur unterdrückten sexuellen Trieben“ ein Vermögen machte, war Wilhelm Reich.
Im Jahr 1957 wurde er vor einem amerikanischen Gericht angeklagt und wegen Betrugs verurteilt. So wurden Reichs Erfindungen unter dem Namen „Orgonakkumulatoren“, die „Orgonenergie“ freisetzen sollten, beurteilt. Schon vor seiner Emigration nach Amerika in den 1920er und 1930er Jahren vertrat Wilhelm Reich in seinen Publikationen (allen voran die 1933 erschienene Massenpsychologie des Faschismus) die Auffassung, dass nur eine „sexuelle Revolution“ (er prägte den Begriff) durch „freien sexuellen Ausdruck“ die vom Marxismus geforderten wirklichen gesellschaftlichen Veränderungen gewährleisten würde.
Road to hell
Die Heiligen Jacinta und Francisco Marto, die zusammen mit Lucia 1917 in Fatima, Portugal, die Gnade erhielten, die Gottesmutter zu sehen und mit ihr zu sprechen, erhielten außerdem einen Einblick in die Realität der Hölle. Wie die heilige Jacinta später sagte, war das, was sie sahen, so schrecklich, dass es sich mit gewöhnlichen Worten nicht beschreiben lässt. Die Kinder von Fatima hörten von der Gottesmutter, dass die vielen Seelen, die im feurigen Meer Qualen erleiden, in der überwiegenden Mehrheit diejenigen sind, die sich während ihres irdischen Lebens der Promiskuität hingegeben haben.
Der heilige Johannes Paul II., der sich am 13. Mai 1982 in Fatima aufhielt – um dafür zu danken, dass genau ein Jahr zuvor, bei einem Attentat auf dem Petersplatz in Rom, sein Leben gerettet wurde – fasste die Essenz und die immerwährende Relevanz der Botschaft von Fatima wie folgt zusammen: „Das größte Hindernis auf dem Weg des Menschen zu Gott ist die Sünde, das Verharren in der Sünde und schließlich die Verleugnung Gottes. Die bewusste Verdrängung Gottes aus der Welt des menschlichen Denkens. Trennung der gesamten irdischen Tätigkeit des Menschen von ihm. Die Ablehnung des Menschen gegenüber Gott. In Wirklichkeit findet der Mensch sein ewiges Heil nur in Gott. Die Ablehnung Gottes durch den Menschen, wenn sie feststeht, führt logischerweise zur Ablehnung des Menschen durch Gott (vgl. Mt 7,23; 10,33), zur Verdammnis. [….] Die Liebe der Mutter des Erlösers erreicht jeden Ort, der vom Werk der Erlösung berührt wird. Ihr Anliegen erstreckt sich auf jeden einzelnen Menschen unserer Zeit, auf alle Gesellschaften, Nationen und Völker. Gesellschaften, die vom Glaubensabfall bedroht sind, droht der moralische Verfall. Der Zusammenbruch der Moral hat den Zusammenbruch der Gesellschaften zur Folge“.
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