„Da ist Gottes Finger im Spiel!“ – rief Generalvikar Antoine Lambert aus, als er 1665 in Laus die Heilung einer todkranken Frau miterlebte. Bis heute erhalten Pilger in diesem alpinen Wallfahrtsort außergewöhnliche Gnaden.
Die Heilige Jungfrau erschien Benôite Rencurel seit 1664. Die Nachricht von den Erscheinungen verbreitete sich schnell unter der örtlichen Bevölkerung. Die durch Mundpropaganda weitergegebenen Geschichten sorgten dafür, dass auch viele Pilger aus den umliegenden Dörfern nach Laus [lies: Lo] kamen. Der Zustrom der Gläubigen vermehrte sich nicht nur durch die Erscheinung Marias bei der jungen Hirtin, sondern auch durch die Wunder, die sich dort ereigneten. Für den Zeitraum der ersten drei Jahre beschreibt der Richter François Grimaud in den Lauser Manuskripten nicht weniger als 61 Fälle von wundersamen Heilungen. „Die Lahmen gehen, die Blinden werden wieder sehend, die Tauben beginnen zu hören.“ – berichtete er.
Das erste dieser außergewöhnlichen Ereignisse fand am 28. Juni 1665 statt und betraf den Sohn eines Chirurgen aus der nahe gelegenen Stadt Gap. Pierre de Caseneuve litt an zahlreichen Geschwüren an seinen Beinen. Außerdem kämpfte er seit mehreren Monaten mit einer Augenentzündung, die dazu führte, dass er praktisch nichts mehr sehen konnte. Sein Vater – ein bekannter Arzt – versuchte alles, um seinem Sohn zu heilen. Als alle Möglichkeiten erschöpft waren, brachte der Chirurg den Jungen nach Laus, wo Pierre sein Augenlicht wiedererlangte und seine schmerzhaften Wunden heilten. Völlig geheilt, konnte der Junge auf eigenen Füßen nach Hause gehen.
Dieser ersten göttlichen Intervention folgten weitere. Dazu gehörten vor allem die Heilung von Fieber, Lähmungen und Missbildungen bei Kindern. Unter den vielen außergewöhnlichen Ereignissen des Sommers 1665 blieb der Dorfgemeinschaft die Heilung von Catherine Vial besonders tief im Gedächtnis, da sie von ungewöhnlichen Umständen begleitet war.
Bitte um ein Zeichen
Catherine Vial war 22 Jahre alt, verheiratet und stammte aus dem Dorf Saint-Julien-en-Beauchêne, zwei Tagesreisen von Laus entfernt. Vor sechs Jahren war die Frau von einer schweren Krankheit befallen worden, die dazu führte, dass sich ihre Beine krümmten und ihre Fersen so fest an ihre Oberschenkel gedrückt wurden, dass es unmöglich war, sie zu trennen. Catherines Leiden wurde noch verschlimmert, indem ihr Ehemann, angesichts ihrer Behinderung, die Annullierung ihrer Ehe anstrebte. Zu diesem Zweck sammelte er ausführliche medizinische Unterlagen, in denen die Krankheit von Frau Vial als unheilbar beschrieben wurde. Die Geschichte des Paares war in der Bevölkerung weithin bekannt, und viele Menschen hatten Mitleid mit der Kranken. Catherine, die von den außergewöhnlichen Gnaden der Muttergottes von Laus erfahren hatte, beschloss, sie um ein Heilungswunder zu bitten. Mit Hilfe von Verwandten erreichte sie am 7. September 1665 den Ort der Erscheinungen. Nach ihrer Ankunft begann die Frau eine neuntägige Novene.
Die Invalidin, die tagelang in der Kapelle auf einer an das Geländer gelehnten Tischplatte sitzend gebetet hatte, wurde von Mitgliedern der kirchlichen Kommission bemerkt, die in jenen Tagen in Laus eingetroffen waren. Sie waren Gesandte des örtlichen Bischofs und hatten den Auftrag, die Glaubwürdigkeit der Erscheinungen zu untersuchen und zu beurteilen, was in dem Alpendorf geschah. Die Delegation wurde von Antoine Lambert (Generalvikar der Erzdiözese Embrun) geleitet, begleitet von dem Jesuiten André Gérard (Rektor des Kollegs von Embrun), Jean Bonnafous (Sekretär des Bischofs), seinem Neffen Esprit Lambert und einem Ältesen aus Savines. Die Würdenträger befragten Benôite Rencurel eingehend. Der Generalvikar, der den außergewöhnlichen Ereignissen zunächst skeptisch gegenüberstand, verlangte von der Seherin ein Wunder, um ihn von der Wahrhaftigkeit der Erscheinungen zu überzeugen. Das Mädchen versprach zu beten, dass Maria ein solches Zeichen geben möge. Nach mehreren Tagen der Befragung waren die Mitglieder der Kommission von der Demut, Wahrhaftigkeit und Festigkeit der Seherin beeindruckt. Nach Gesprächen mit den Priestern bewerteten sie die Auswirkungen der Erscheinungen auf den Glauben und die Frömmigkeit der Gemeindemitglieder sowie auf die Pilger positiv. Obwohl Pater Antoine Lambert kein Wunder erlebte, gab er dem Pfarrer abschließende Empfehlungen und plante, Laus am nächsten Morgen zu verlassen.
In der Nacht überfluteten heftige Regenfälle die Bergstraßen und hinderten die Delegation daran, den Ort der Erscheinung zu verlassen. Zur gleichen Zeit endete der letzte Tag der Novene, die Catherine Vial betete. Kurz vor Mitternacht weckte der Freudenschrei der Frau: „Gott sei die Herrlichkeit! Gott sei die Ehre! Ich habe meine Beine ausgestreckt“, den Gastgeber und die Gäste des Hauses, in dem die Frau wohnte. Frau Vial bat sofort um eine Kerze und ein Gebetbuch, um Gott für ihre wiederhergestellte Gesundheit zu danken. Am nächsten Morgen ging sie in die Kapelle, in der Pater Antoine Lambert und die Mitglieder der Kommission gerade die Messe feierten. Beim Anblick der geheilten Frau konnte der Generalvikar seine Rührung nicht verbergen. „Da ist Gottes Finger im Spiel! – wiederholte er mehrmals. Der ganze Tag des 18. September 1665 war ein Tag der Verhöre und der Protokollierung. Es wurde angeordnet, dass die Dokumente unter Eid unterzeichnet werden. Pater Antoine Lambert erhielt ein Zeichen der Gottesmutter, das Gotteshaus durfte sich entwickeln und das Gemälde, das die Heilung von Catherine Vial darstellt, ist noch heute im Wallfahrtsort in Laus zu sehen.
Der Maler des einzigen anderen Porträts von Benôite Rencurel ist ebenfalls ein geheilter Mann. Es handelt sich um den Sizilianer Dego Duval, der zur Zeit der Erscheinungen in Laus tätig war. Im Jahr 1680 erkrankte der Mann schwer. Als er von den Wundern am Fuße der Alpen hörte, ging er dorthin und bat die Muttergottes um Hilfe. Maria erhörte schnell sein Gebet. Aus Dankbarkeit für die Gnade der Gesundheit malte Duval ein Bild der damals 41-jährigen Benôite, auf dem ihr die „Schöne Dame“ erscheint. Das Gemälde des Sizilianers hängt noch heute in der Kapelle hinter dem Altar im Altarraum. Dank des Bildes wissen wir, wie die Seherin aussah. Außerdem haben seit der Entstehung des Gemäldes viele Beter, die davor gebetet haben, Gnaden für sich oder ihre Angehörigen erhalten.
Das Öl aus Laus
Ein besonderes Mittel, das die Gottesmutter in Laus für die Heilung eingesetzt hat und weiterhin einsetzt, ist jedoch das Öl aus der Lampe in der Kapelle. „Die Pilger, die ein wenig Öl aus der Lampe nehmen, es auf ihren Körper auftragen und Mich im Glauben um Fürsprache bitten, werden gesund werden, denn Gott hat Mir diesen Ort zur Bekehrung der Sünder gegeben“, versprach Maria 1667. – Das Öl, das Maria im Sinn hatte, stammte aus der Lampe des Ewigen Lichts, die im Tabernakel als Zeichen der Gegenwart des Herrn Jesus brannte. Am Abend füllten die Priester die Lampe mit Öl, in das der brennende Docht getaucht wurde, und am Morgen goss der Benediktiner oder eine andere Person das Öl in spezielle Flaschen, die dann an die Kranken verteilt wurden.
Zwischen 1669 und 1684 wurden 150 Heilungen registriert, wobei Pater Peytieu, der sie aufzeichnete, mit Demut zugab: „Ich mache mir Vorwürfe, dass ich es versäumt habe, die mir gemeldeten Heilungen aufzuschreiben, weil sie so außergewöhnlich waren, dass ich anfangs nicht fromm genug war, um an sie zu glauben“.
Zu den häufigsten Gnaden, die man nach der gläubigen Anwendung des Öls erhielt, gehörte die Heilung der Augen. Ein solches Zeichen des Handelns Gottes erfuhr unter anderem Charlotte, die siebenjährige Tochter eines der Autoren der Laus-Manuskripte, Richter Grimaud. Das Mädchen hatte seit mehr als einem Jahr einen Tumor unter den Augen. Eine Ursulinenschwester aus Gap salbte die Augen und den Tumor der Kranken. Nach mehreren Salbungen mit Öl am 23. Juni 1667 erholte sich Charlotte und ihr Vater engagierte sich fortan noch stärker für das Werk Gottes in Laus.
Ein anderes spektakuläres Wunder wurde Jaques Colomb, einem gebürtigen Marseiller, zuteil. Am 14. September 1682 kam dieser Mann mit einer von Wundbrand befallenen Hand in Laus an. Die Krankheit war so weit fortgeschritten, dass dem Pilger die Amputation der Hand drohte. Es war bereits alles für die Operation vorbereitet, um Jacques die Hand abzunehmen, damit sich der Wundbrand nicht im ganzen Körper des Patienten ausbreiten und ihn töten würde. Wie Richter Grimaud in den Lauser-Manuskripten berichtet, salbte der Franzose seine Hand mit Öl aus der Lampe und wurde sofort geheilt! Das Versprechen der Gottesmutter, dass dieses Öl von allen Krankheiten heilt, hat sich erfüllt.
Es ist wichtig, zu erwähnen, dass es , obwohl viele Heilungen durch das Öl stattgefunden haben und weiterhin stattfinden, keine magische Kraft besitzt. Es ist ein Symbol für das Verweilen im Gebet vor dem eucharistischen Jesus und ein Ausdruck der Segnung des Wallfahrtsort in Laus durch die Muttergottes. So ist auch die Vorgabe Marias zu verstehen, das Öl neun Tage lang anzuwenden, was der Dauer einer Novene – einem längeren Gespräch mit Gott – entspricht. „Maria stellte nur eine einzige Bedingung: Das Öl sollte bis zum Morgen beim Allerheiligsten bleiben, wie jemand, der sich im Schutz der Dunkelheit in stille Anbetung versenkt […]. Der Akt der einsamen nächtlichen ‚Anbetung’, den das Öl in Laus ‚vollzieht’, wird gleichsam zur Botschaft der dortigen Erscheinungen: Durch die Anbetung wird der Segen des auferstandenen Christus erlangt“, erklärt Pater Serafino Tognetti (Matka Boża z Laus. dt. Unsere Liebe Frau von Laus, Krakau 2022, S. 173-174).
Heilungen heute
Die Großzügigkeit der Muttergottes von Laus, von ihrem Sohn Gnaden zu erflehen, kennt keine Grenzen – weder räumlich noch zeitlich. Bis heute erleben die Gläubigen, die aus allen Teilen der Welt in den alpinen Wallfahrtsort kommen, das übernatürliche Eingreifen des Himmels. Ihre Zeugnisse finden sich nicht mehr in den Lauser-Manuskripten, sondern in den Gnadenbüchern, die in der Basilika ausliegen. Jeden Morgen wird das Öl der Lampen in Plastikflaschen abgefüllt und anschließend persönlich an die Betroffenen übergeben oder an einzelne Dörfer in Frankreich und ins Ausland verschickt. Das medizinische Büro des Heiligtums prüft regelmäßig die beschriebenen Heilungen und ihre Art im Hinblick auf die Seligsprechung von Benôite Rencurel.
Pater Yves-Marie Afouda, ein gebürtiger Beniner, erzählte 2022 eine interessante Geschichte. Im Jahr 1995, als Afouda noch im Priesterseminar war, verlor er plötzlich vollständig sein Augenlicht. Seminaristen, Priester und Ordensgemeinschaften starteten einen Gebetssturm für den Absolventen. Der junge Mann verlor bereits die Hoffnung, dass er seine Ausbildung abschließen und Priester werden könnte. Doch Gott erhörte die Gebete der gesamten Seminargemeinschaft, und nach einem Monat erlangte der Student sein Augenlicht wieder. Seitdem trug er jedoch eine starke Brille und litt unter Augenschmerzen. Im Jahr 2019 war Pater Yves-Marie auf der Durchreise in Laus. Nachdem er von den dort gewährten Gnaden gehört hatte, beschloss er, um Heilung zu bitten. Er salbte seine Augen mit dem Öl einer Lampe und widmete sich am Grab von Benôite im Glauben dem Gebet, wobei er die Barmherzigkeit Gottes anrief. Es geschah jedoch nichts Außergewöhnliches und der Priester reiste von Laus nach Paris. Drei Tage vor der Abreise des Priesters von Frankreich nach Benin ging sein Brillengestell zu Bruch. Die Optiker waren verzweifelt, denn niemand konnte so kurzfristig eine neue Brille anfertigen, und ohne sie konnte der Priester nicht normal arbeiten. Als der untröstliche Pater Yves-Marie darüber nachdachte, was er in dieser Situation tun sollte, hörte er eine klare Stimme: „Du bist geheilt worden, du wirst deine Brille nicht mehr brauchen“. Der Afrikaner spürte im selben Moment eine große Erleichterung und konnte klar zu sehen. Seitdem trägt der Priester keine Brille mehr und hat keine Schmerzen mehr in den Augen. Interessanterweise wurde Pater Yves-Marie später einer der Kapläne am Wallfahrtsort in Laus und diente den Pilgern bis 2022. Heute arbeitet er in einer Pfarrei in Südfrankreich, von wo aus er gerne seine Schützlinge nach Laus mitnimmt.
Die Bedeutung von Wundern
Alle beschriebenen Heilungsgeschichten, von denen es Tausende auf den Seiten der Lauser- Manuskripte und des Gnadenbuchs gibt, bestätigen die Wahrheit, dass Gott der einzige Heiler ist. Wie bei seinem irdischen Wirken vor mehr als 2.000 Jahren, stellt Jesus Christus in den vergangenen Jahrhunderten und heute die Gesundheit der Menschen wieder her. Er tut dies nicht nur, um die körperlichen Schmerzen der Kranken zu lindern, sondern auch, um sie und die Menschen in ihrem Umfeld zum Glauben zu bewegen und ihren Geist zu heilen. Wie wir im Katechismus der Katholischen Kirche lesen: „Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, dass der Vater ihn gesandt hat [Vgl. Joh 5,36; 10,25.]. Sie laden ein, an ihn zu glauben (Vgl. Joh 10,38.). Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten (Vgl. z. B. Mk 5,25-34; 10,52.). So stärken die Wunder den Glauben an ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, dass er der Sohn Gottes ist (Vgl. Joh 10,31-38.). […] Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen.“ (KKK 548). Auch die Muttergottes betonte bei ihrer Erscheinung vor Benôite, welche Bedeutung der Glaube bei dem Heilungssuchenden hat.
Indem sie besonders Laus als Ort der Bekehrung der Sünder hervorhebt, lehrt Maria, dass sich das größte Wunder der Barmherzigkeit Gottes im Beichtstuhl ereignet. Im Sakrament der Versöhnung empfängt der Mensch das große Geschenk der geistlichen Heilung, das ihn auf das ewige Leben vorbereitet. „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch etwas Schlimmeres zustößt“ (Joh 5,14) – diese Worte Jesu an den Gelähmten sind auch heute noch aktuell. Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt: „Indem er einzelne Menschen von irdischen Übeln: von Hunger [Vgl. Joh 6,5-15.] Unrecht [Vgl. Lk 19,8.], Krankheit und Tod [Vgl. Mt 11,5.] befreit, setzt Jesus messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen, um alle Übel auf Erden zu beheben [Vgl. Joh 8,34-36.]. Diese hindert sie an ihrer Berufung zu Kindern Gottes und bringt sie in vielerlei Abhängigkeiten.“ (KKK 549). Indem sich der Mensch der heilenden Kraft Gottes im Sakrament der Versöhnung öffnet und Jesus in der Eucharistie empfängt, erlebt er ein Wunder, vertieft den Glauben und wird zum freudigen Zeugen der Liebe Gottes.
Quellen: J.-M. di Falco Léandri, Nieznane objawienia Matki Bożej w Laus. dt. Unbekannte Erscheinungen der Muttergottes in Laus, Krakau 2022; S. Tognetti, Our Lady of Laus, Krakau 2022; F. de Muizon, La vie merveilleuse de Benoîte Rencurel, Montrouge 2004; L. Frère, Suivez le chemin de Laus, Saint-Étienne-le-Laus 2014; „Notre-Dame du Laus. La revue du sanctuaire“, Juin 2022, Nr. 401.
Gefallen Ihnen die auf unserer Website veröffentlichten Inhalte?
Dann unterstützen Sie uns bitte!