Die Revolutionäre wollten die „neue Weltordnung“. Ein „neues Frankreich“ und „neue Franzosen“ sollten geschaffen werden, und längerfristig wollte man einen „neuen Menschen“ erschaffen. Auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Pläne stellte die katholische Kirche ein wesentliches Hindernis dar.
Tötet den Priester!
„Die Priester sind die einzige Ursache des Elends in Frankreich. Die Revolution, die der Triumph der Aufklärung ist, kann nur mit Abscheu auf die allzu lange Agonie eines Haufens dieser verruchten Männer zurückblicken“. So der jakobinische Kommissar Joseph Chalier im Jahr 1793, der als „Henker von Lyon“ in die Geschichte einging. Die sogenannte Zivilverfassung des Klerus, die 1790 verabschiedet wurde, war der rechtliche Vorwand für die systematische Verfolgung des französischen Klerus, die in den ersten Jahren der französischen Republik (1792-1794) ihren Höhepunkt erreichte. Diese Jahre waren durch einen völkermörderischen Terror gekennzeichnet, dessen Opfer vor allem „einfache“ Franzosen waren. Historiker haben längst festgestellt, dass von den Opfern, die damals auf den Guillotinen starben, fast 80 Prozent Vertreter des „dritten Standes“ waren, in dessen Namen die Revolution in Frankreich 1789 begonnen hatte.
Die Revolutionäre wollten die „neue Weltordnung“. Ein „neues Frankreich” und „neue Franzosen“ sollten geschaffen werden, und längerfristig wollte man einen „neuen Menschen“ erschaffen. Bei der Verwirklichung dieser Pläne stellte die katholische Kirche ein wesentliches Hindernis dar. Im revolutionären Lager war man sich darüber im Klaren, dass es keine Kirche ohne das Priestertum gab, denn nur ein Priester konnte das heilige Opfer feiern, und die Eucharistie ist bekanntlich Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Glaubens. Wenn es also keine Quelle gibt, hört auch der Glaube auf, und damit verschwindet das schwerwiegendste Hindernis für das totalitäre Programm der „neuen Weltordnung“. Nicht wenige der prominenten Revolutionäre waren in der Vergangenheit zu Priestern geweiht worden (z.B. J. Fouche, der dem radikalen Flügel der Jakobiner angehörte), und es gab sogar einen Bischof unter ihnen (Talleyrand). Sie wussten also sehr wohl, wo und bei wem sie zuschlagen mussten.
Am 27. Mai 1792 ordneten die Revolutionsbehörden die Deportation aller Geistlichen in die französischen Überseekolonien an, die sich weigerten, den Eid auf die „Zivilverfassung des Klerus“ abzulegen. Am 18. März 1793 verhängte die Republik die Todesstrafe für alle Geistlichen, die einen solchen Eid nicht leisteten. Die Todesstrafe wurde auch Laien angedroht, die, sogenannten nicht vereidigten Priestern, Unterschlupf gewährten oder an von ihnen zelebrierten Gottesdiensten teilnahmen und die von ihnen gespendeten Sakramente empfingen.
Historiker, die die Geschichte des antichristlichen Terrors während der Französischen Revolution erforschen, schätzen, dass, während der Revolution in Frankreich, etwa dreitausend katholische Priester ihr Leben für ihren Glauben ließen. Die Methoden der Ausrottung waren unterschiedlich.
Sie wurden nach einem „Prozess“ vor dem Revolutionstribunal auf die Guillotine geschickt. Dies kann kaum als fairer Prozess bezeichnet werden. Vielmehr kann man von den ersten „Schauprozessen“ der Geschichte sprechen, die im 20. Jahrhundert zu einer Spezialität totalitärer Staaten (insbesondere Stalins Sowjetunion) werden sollten. Das von der Revolution eingesetzte Revolutionstribunal sollte nicht nur den Priester vor Gericht stellen, sondern auch die von ihm vertretene Religion verhöhnen und sich letztlich über denjenigen lustig machen, der das Sakrament des Priestertums gespendet hat. Davon zeugen die bis heute erhaltenen Protokolle von Prozessen vor den Revolutionstribunalen in verschiedenen Orten Frankreichs.
In Orléans wurde 1793 Pater Julien d’Herville – ein „unvereidigter Jesuit“ – vor der revolutionären „Justiz“ zum Tode verurteilt. Das Revolutionstribunal von Orléans hält unter anderem fest, dass: „alle Mittel für Fanatismus und Aberglauben bei ihm gefunden wurden: ein Skapulier mit zwei Medaillen, eine kleine runde Dose mit verzaubertem Brot [es geht hier um konsegrierte Hostien – Anm. G. K.], ein Band, an dem ein großes Kreuz aus Silber befestigt war, ein Herz aus Silber und ein Kristallreliquiar“.
Eine weitere Methode zur Ausrottung des französischen Klerus durch die revolutionäre „totalitäre Demokratie“ waren die bereits erwähnten Deportationen in die Überseegebiete. Ein solches Ziel war Französisch-Guayana, wo das tropische Klima für diejenigen, die monatelang inhaftiert waren, besonders schwer zu ertragen war. So erging es Ende 1793 und Anfang 1794 mehr als 800 Priestern, die mehr als sechs Monate lang auf Kähnen, die an der Einfahrt des Hafens von Bordeaux festgemacht waren, auf eine Reise nach Guyana warteten.
Der Mangel an Lebensmitteln, an Medikamenten und an elementaren hygienischen Bedingungen führte für die meisten von ihnen zum Tod, noch bevor sie in See stachen. Von den 829 Priestern starben 547 während der Wartezeit auf die Reise. Ihr Schicksal und vor allem ihr Verhalten – die treue Beharrlichkeit im Gebet und in der Spendung der Sakramente (Beichte) – war ein Vorgeschmack auf das Schicksal Tausender katholischer Priester, die unter ähnlichen Umständen in den von totalitären Staaten eingerichteten Todeslagern des 20. Jahrhunderts ums Leben kamen
Im Jahr 1995 sprach Johannes Paul II. 64 Priester selig, die unter unmenschlichen Bedingungen starben, während sie auf eine Überfahrt nach Guyana warteten (ein wahres Dachau auf Lastkähnen). Denn, wie der Heilige Vater sagte: „Inmitten ihrer Qualen haben sie den Geist der Vergebung bewahrt. Sie hielten die Einheit ihres Glaubens und die Einheit ihres Heimatlandes für wichtiger als alles andere“.
Totalitäre Umgestaltung von allem
Im Jahr 1793 wurde die christliche Religion offiziell verboten. Nicht nur Mitglieder der katholischen Kirche, „nicht vereidigte“ Priester, sondern auch diejenigen, die sich in einem „Kompromiss“ (sprich: Kapitulation) mit dem Bösen entschieden hatten, der „Zivilverfassung des Klerus“ zu gehorchen – im Allgemeinen alle Menschen, die sich zum Glauben an Christus bekannten –, durften ihren Glauben nicht mehr ausüben. Und das in einem Land, das sich der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte rühmte und auf seinen Fahnen den Slogan „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ trug …. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass nicht Worte, sondern Taten zählen.
Das Christentum sollte aus den Herzen und dem öffentlichen Raum getilgt werden. Ein solch umfassendes Programm zur „Umgestaltung“ der Mentalität und des Alltags von Millionen von Menschen ist ein typisches Beispiel für die Funktionsweise einer totalitären Ideologie, die über einen ganzen Staatsapparat verfügt. Nicht nur die Feier der Messe und die Spendung aller anderen Sakramente (beginnend mit der Taufe) wurden verboten, sondern 1793 wurde auch offiziell eine neue Art der Zeitmessung eingeführt. Dies bedeutete, dass in Frankreich die Jahre nicht mehr ab der Geburt Jesu Christi, sondern ab der Gründung der Republik im Jahr 1792 gezählt wurden. Wie Fabre d’Eglantine – einer der Entwickler des republikanischen Kalenders – sagte: „Die lange Gewöhnung an den gregorianischen Kalender hat das Gedächtnis des Volkes mit einer beträchtlichen Anzahl von Visionen gefüllt, die lange Zeit respektiert wurden und die noch heute die Quelle ihrer religiösen Irrtümer sind. Es ist daher notwendig, diese Visionen der Ignoranz durch die Wirklichkeit des Geistes zu ersetzen und die Würde des Priestertums durch die Wahrheit der Natur.“
Der neue Kalender bedeutete die Einführung einer Zehn-Tage-Woche. Von nun an war die Feier des Sonntags bei Todesstrafe untersagt. Anstelle des Tages des Herrn führten die Revolutionsbehörden das „Fest der Dekade“ ein, das zwingend gefeiert werden musste. Nicht nur der Sonntag, sondern auch alle christlichen Feste, angefangen bei Ostern und Weihnachten, wurden verboten.
Auch die Klangwelt sollte entchristianisiert werden. Kirchenglocken wurden in der Republik verboten, die in der revolutionären Propaganda als „Priester-Trommeln“ bezeichnet wurden, die zu „Aberglauben und Fanatismus“ aufriefen.
Die Entchristlichung erstreckte sich auch auf den weiteren öffentlichen Raum. Ziel der Maßnahmen der revolutionären „totalitären Demokratie“ war es, christliche Symbole aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Dies wiederum bedeutete ein Todesurteil für die katholischen Heiligtümer – einschließlich der prächtigen gotischen und romanischen Kathedralen –, die als „erstgeborene Tochter der Kirche“ voll davon waren. Einmal wurde im Revolutionsparlament der Vorschlag eines jakobinischen Abgeordneten diskutiert, alle Kirchtürme in Frankreich abzureißen, weil, so der Vorschlagende, es nicht sein könne, dass in einem Land, das so viel Wert auf Gleichheit lege, einige Gebäude so deutlich höher seien als andere. Dies gelte umso mehr, wenn diese Gebäude Symbole des „Aberglaubens und Fanatismus“ sind – wie die revolutionäre Propaganda den katholischen Glauben zu bezeichnen pflegte.
Totalitärer Vandalismus
Letztendlich wurde dieses Projekt nicht verwirklicht, was nicht bedeutet, dass Frankreich von der Welle des echten revolutionären Vandalismus verschont blieb. Historiker, die sich mit diesem Aspekt der Geschichte der „totalitären Demokratie“ befassen, sprechen von einem „Martyrium der französischen Kathedralen“, die zur Zielscheibe der Zerstörungswut der Schöpfer des „neuen Frankreich“ wurden. Viele dieser Perlen der sakralen Architektur, die auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes stehen, wurden durch die Aktionen der Revolutionäre, die von dem totalitären Traum der „neuen Weltordnung“ besessen waren, schwer beschädigt.
Unter anderem erlitt die Kathedrale Notre Dame in Paris ein dramatisches Schicksal. Im Jahr 1792, kurz nach der Ausrufung der Republik, begannen die revolutionären Behörden des Pariser Bezirks, in dem sich die Kathedrale befand, mit einer systematischen Plünderung ihrer Schatzkammer. Wertvolle liturgische Geräte (Messkelche, Monstranzen, Kruzifixe) und kunstvolle Reliquienschreine (darunter die des heiligen Marceli und des heiligen Vinzenz von Paul) wurden gestohlen. Kurz darauf ordneten die jakobinischen Behörden der französischen Hauptstadt (die Pariser Kommune) die Zerstörung des Vierungsturms der Kathedrale an, „der sich gegen die Gleichheit versündigt hatte“ (F. Souchal). Der dramatische Anblick des einstürzenden Vierungsturms der Kathedrale, den wir 2019 beim Brand von Notre Dame beobachten konnten, ereignete sich erstmals 1792 auf revolutionäre Art, als Ergebnis der bewussten Aktivitäten der Menschen im Dienste der „totalitären Demokratie“.
Auch die Fassade der Pariser Kathedrale, an deren Westseite Statuen der alttestamentarischen Könige von Juda und Israel angebracht waren, wurde schwer beschädigt. Diese wurden 1793 vollständig zerstört, weil sie, wie es im Kommuniqué der Pariser Kommune hieß, „den religiösen Aberglauben aufrechterhielten“ und „die widerwärtige Erinnerung an die Könige wiederbelebten“. Auch andere Skulpturen außerhalb und innerhalb der Kathedrale wurden zerstört. Es ist unmöglich, diese Aktion nicht als Ausdruck purer Christophobie zu bezeichnen. Die Marienstatue auf dem Pfeiler des Portals des nördlichen Querschiffarms blieb erhalten, aber die Statue des Jesuskindes in ihren Armen wurde zerstört.
Um das Ausmaß der Profanierung der Pariser Kathedralkirche zu vervollständigen, wurde sie 1793 in „Tempel der Vernunft“ umbenannt. In ihren Mauern wurde 1794 der Kult des Höchsten Wesens eingeweiht, der die christliche Verehrung des dreieinigen Gottes ersetzen sollte. Ähnliche Spektakel, eine Art Ritual der feindlichen Übernahme von Tempeln, die für die Verehrung des wahren Gottes bestimmt waren, fanden übrigens auch in vielen anderen Kirchen und Kathedralen statt, die dem revolutionären Vandalismus zum Opfer fielen.
Ihr schrecklichster Ausdruck war die Zerstörung der prächtigen romanischen Basilika von Cluny. Diese seit Jahrhunderten prächtigste Kirche des Abendlandes, die Mutterkirche der großen cluniazensischen (benediktinischen) Kongregation, die im 11. und 12. Jahrhundert entscheidend zur Erneuerung der Kirche (der gregorianischen Reformation) und damit der gesamten westlichen Zivilisation beitrug, wurde zunächst entweiht (1792) und dann (als „nationales Gut“) an lokale „ehrbare Bürger“ verkauft. Diese wiederum behandelten die Basilika wie einen Steinbruch. Das Gebäude wurde bis auf die Grundmauern abgerissen. Heute ist von der größten von Päpsten geweihten Basilika (bis zum Bau der neuen römischen Basilika St. Peter im 16. Jahrhundert) nichts mehr zu sehen. Der Hauptaltar von Cluny wurde 1095 vom seligen Urban II. geweiht, und die gesamte Basilika wurde 1130 von Papst Innozenz II. geweiht.
Die Kathedrale von Chartres, die von vielen Kunsthistorikern als die schönste gotische Kathedrale angesehen wird, hätte beinahe das Schicksal der Basilika von Cluny geteilt. Sie wurde von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes der Menschheit aufgenommen. Im Jahr 1793 wurde sie entweiht (begleitet vom Raub der in ihr gesammelten Kostbarkeiten) und dann zum Preis von Schutt an einen lokalen Geschäftsmann verkauft. Die Kathedrale überlebte nur, weil der Käufer nicht über ein ausreichend großes Grundstück verfügte, um das erworbene „Baumaterial“ zu lagern. Wenn man jedoch heute vom so genannten Königlichen Portal aus auf das beschädigte Antlitz von Christus dem König blickt, sieht man die Spuren des tragischen totalitären Versuchs der Französischen Revolution, die Welt neu zu ordnen“.
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